Österreichs Nationalteam steht sensationell im Halbfinale der Frauen-EM. Das Geheimnis hinter dem Wunder und wo es jetzt ein großes Public-Viewing gibt.
01. August 2017: Mal ganz ehrlich! Wer hat sie schon vor ein paar Wochen gekannt – unsere Fußball-Teamspielerinnen? Okay, Kapitänin und Bayern Legionärin Viktoria Schnaderbeck war einigen ein Begriff, auch weil sie vor der EM in den Niederlanden die meisten Medientermine zu absolvieren hatte. Aber sonst?
Spätestens seit unser ÖFB-Nationalteam im Viertelfinale am Sonntag die Spanierinnen im Elferschießen (5:3) kalt gestellt hat, weiß man bei uns, dass die Namen Feiersinger und Prohaska nicht nur für männliche Fußballhelden stehen.
Über 1,2 Millionen Österreicher haben dieses Match im TV gesehen – das ist einsamer Rekord für ein Frauen-Fußballspiel. Und überhaupt eine Zahl, die sonst im ORF nur Ski-Klassiker in Kitzbühel oder Schladming erreichen. Nur bei der Herren-EM sahen mit 1,8 Millionen gegen Portugal mehr zu. Aber das kann sich ja noch ändern.
Denn am Donnerstag (18 Uhr, live in ORFeins) kämpft Team Österreich gegen Dänemark um den Einzug ins Finale. Wegen des Hypes gibt es nun auch ein großes Public Viewing am Rathausplatz in Wien. Dafür wurde das Programm des Filmfestivals kurzfristig geändert. Einziger Wehrmutstropfen: Der Verdacht auf Kreuzbandriss hat sich bei unserer Teamspielerin Lisa Makas inzwischen leider bestätigt.
Was ist aber das Geheimnis hinter dem Fußballwunder? Die Helden der Freizeit haben gleich fünf Gründe für das überdurchschnittliche Abschneiden ausfindig gemacht.
Österreichs Team konnte im Gegensatz zu unseren Herren, die 2016 bei ihrer EM an den hohen Erwartungen scheiterten, nur überraschen. Jeder Punkt war für unsere EM-Debütantinnen und die Nummer 24 der Welt (Stand: vor dem Turnier, siehe FIFA-Weltrangliste) schon eine Sensation. Hier in unserer Vorschaustory nochmal nachzulesen. Vor dem ersten Gruppenspiel lag die Quote für einen EM-Titel bei 1:51.
Selbst, wenn man jetzt erst auf Österreich tippt, winkt immer noch das Siebenfache (!) des Einsatzes. Während die Favoritinnen aus Deutschland, Frankreich oder Spanien scheiterten, hatten unsere Damen die nötige Lockerheit und sich nach vier Spielen noch immer ungeschlagen.
Die individuelle Klasse war bei Gegnern wie Frankreich und Spanien offensichtlich größer. Österreichs Team machte dieses Manko aber mit viel Kampfgeist weg. Vor allem unser Mittelfeld glänzt mit extremer Laufbereitschaft. Allen voran Laura Feiersinger – Tochter von Ex-Abwehrstar Wolfgang – die offenbar eine Extralunge eingebaut hat. Und als unermüdliche kleine Antreiberin an Zlatko Junuzovic bei den Herren erinnert.
Besonders die taktische Flexibilität, die Teamchef Dominik Thalhammer seinen Damen antrainiert hat, kommt ihnen jetzt sehr zu Gute. In der Abwehr steht man wenn nötig mit mit zwei Viererketten extrem konsequent. Erst 1 Gegentor in vier Partien sagt alles. Dann versucht man schnell nach vorne zu spielen. Oder man presst die Gegnerinnen ordentlich an, was diese immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Gerade weil viele Torfrauen bei der EM fußballerisch Unsicherheiten zeigen.
Sportpsychologin Mirjam Wolf hat als Mentaltrainerin ganze Arbeit geleistet. Österreich präsentiert sich als verschworene Einheit. Die Teambuildung Maßnahmen haben Früchte getragen. Und auch die Leistung wird maximal abgerufen. Beim Elferschießen gegen Spanien trafen alle Österreicherinnen und Torfrau Manuela “Nervösität bringt mir nix” Zinsberger stand ihre Frau mit ihrem gehaltenen Penalty und einigen Traumparaden zuvor. Ihren Patzer beim Ausgleich von Frankreich steckte sie weg wie nichts. Sie strahlt jetzt eine enorme Sicherheit aus.
Die gelöste Stimmung ist nicht aufgesetzt. Man sieht es bei Blödeleien wie der Lattenschuss-Challenge. Ja selbst während des Elferkrimis gegen Spanien wurde untereinander gescherzt und gelacht. Kein Jammern. Kein Raunzen. Keine Ausreden. Obwohl viele Spielerinnen nach den aufreibenden vier Partien körperlich bereits am Limit sind.
Fazit: Österreichs Damen-Nationalteam hat mit seiner erfrischenden Lockerheit und seinen großen Kämpferqualitäten zu Recht eine große Euphorie entfacht und das Standing des Damenfußballs auf ein neues Level gehoben. Das Erreichen des Halbfinales bei der Frauen-EM ist bereits ein Fußballwunder und weit mehr als man realistisch erwarten durfte. Vom Finale darf man trotzdem träumen: Immerhin hat Österreich Dänemark im letzten Testspiel vor der EM 4:2 besiegt. Auf alle Fälle gilt es den Hype zu nutzen, damit der Sport in Österreich auch abseits von Großereignissen mehr Beachtung findet.
Österreichs möglicher Finalgegner wird übrigens im Duell der letzten verbleibenden Turnierfavoriten ermittelt. England trifft auf die Heimmannschaft Niederlande (Donnerstag, 20:45 Uhr ORFSport+).
Das Finale steigt am Sonntag um 17 Uhr live in Enschede. Achtung, Fußballfans! Falls Österreich dabei ist, wird möglicherweise das Wiener Derby Rapid gegen Austria verlegt, das sonst fast für die selbe Zeit (16:30 Uhr) angesetzt wäre.
(ak)
Aufmacherfoto: ÖFB