Die Schule als Ort psychischer Gewalt und dämonischer Professoren hat seit Friedrich Torbergs Schüler Gerber und dessen Klassenvorstand Gott Kupfer einen fixen Platz in der österreichischen Literatur. Tonio Schachinger fügt diesem Genre mit Echtzeitalter einen weiteren, sehr gelungenen Roman und seiner Hauptfigur eine virtuelle Fluchtmöglichkeit hinzu.
von Christian Orou
Schauplatz von Echtzeitalter, so der Titel des neuen Romans von Tonio Schachinger, ist eine Eliteschule im Herzen von Wien namens Marianum, das von der Lage und der Struktur sehr an das Theresianum erinnert. Schachinger begleitet seinen Helden Till vom Schuleintritt bis zur Matura. Gekonnt mischt er fiktionale Welt mit dem Wien der Gegenwart. Immer wieder lässt er bekannte Personen durch seine Szenen spazieren. Er erzählt vom Zetteldichter Seethaler und von Waluliso und lässt Thomas Schäfer-Elmayer die erste Tanzstunde leiten.
In seiner Geschichte verwebt der 31-jährige Autor die Themen Erwachsenwerden, Anderssein, erste Liebe und Lehrerschikanen zu einer einfühlsamen, fesselnden Geschichte. Diese Zutaten sind jetzt nicht wahnsinnig innovativ und wurden vermutlich schon oft verwendet. Einzigartig machen das Buch zwei Dinge: erstens ist der Stil von Schachinger klar und präzise. In seinen Schilderungen baut er eine Welt, die ganz nah an der Realität ist. Neu ist auch die Verknüpfung mit der Gamerszene. Schachinger lässt seinen Helden innerhalb der AoE2-Welt zum Star aufsteigen.
Für Menschen, die in Computerspielen nicht so bewandert sind: AoE2, Age of Empire 2, ist ein Strategiespiel, das auf der ganzen Welt gespielt wird. Noch kaum ein Roman hat sich so intensiv mit der Welt der Computerspiele auseinandergesetzt und ist dabei nicht in dystopische Welten wie zum Beispiel Ready Player One abgetaucht. Wobei man sich hier auch nicht zu viel erwarten sollte, denn das Gaming ist in Echtzeitalter nicht das Hauptthema.
Mit viel Empathie und Genauigkeit zeichnet Schachinger seine Figuren, die er durch die Geschichte führt. Bei den Lehrer:innen reduziert er die Charaktere fast auf die Ebene der Archetypen. Das macht die Handlung für die Leser:innen fassbarer und nimmt sie auf eine Reise in die eigene Schullaufbahn mit. Hatte nicht jeder von uns einen Tyrannen in seinem Set von Lehrer:innen? An einigen Stellen erinnert das Buch an Torbergs Schüler Gerber, doch der Aussichtslosigkeit Gerbers setzt Schachinger die virtuelle Gamerwelt und die Corona-Pandemie als Fluchtmöglichkeit entgegen.
Im Gegensatz zu Schachingers erstem Roman Nicht wie wir ist Echtzeitalter dichter, vielleicht ein wenig verspielter, aber auf jeden Fall detailreicher als sein Vorgänger. Der neue Roman ist ein Buch, das man so schnell nicht mehr aus der Hand legt.
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Fotos: (c) heldenderfreizeit.com, Rohwolt Verlag
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