Im ersten Ableger der John Wick-Reihe schießt und tritt sich Ana de Armas als Ruska Roma-Agentin quer durch Europa. Das macht, trotz einiger Hudeleien im Plot, jede Menge Spaß.
von Susanne Gottlieb, 5. 6. 2025
2014 sprang John Wick (Keanu Reeves) das erste Mal auf die Kinoleinwand und begeisterte sofort die Massen. Ein abgebrühter ehemaliger Auftragskiller, der Rache für seinen ermordeten Hund will? Und das Ganze dann noch in einem so durchgestylten Actionblockbuster und Noir-Look? Die Väter dieser Idee waren immerhin der Stuntman und Regisseur Chad Stahelski und David Leitch. Auf das Konto letzteres gehen Filme wie das ähnlich düstere Atomic Blonde oder Bullet Train.
Nach vier John Wick-Filmen reden wir jetzt schon von einem ganzen Filmuniversum, in dem die ersten, neuen Charaktere eigene Ableger bekommen. Den Auftakt macht die von Ana de Armas dargestellte Ballerina. Ob wir in ein paar Jahren dann auch ein Avenger-artiges Team up bekommen? Mal sehen.
Angesiedelt ist die Haupthandlung zwischen den Begebenheiten von John Wick: Chapter 3 – Parabellum and Chapter 4. Zunächst sieht man aber die titelgebende Ballerina, Eve Macarro, wie sie als junges Mädchen mit ihrem Vater undercover lebt. Doch vor was auch immer ihr Vater mit ihr geflohen ist, es holt sie alsbald ein. Denn die Schergen des mysteriösen Kanzlers (Gabriel Byrne) suchen die beiden auf und töten Eves Vater. Sie kann knapp entkommen und wird von John Wick-Mentor Winston Scott (Ian McShane) aufgegabelt. Er stellt sie vor die Wahl, wie einst ihr Vater in der Auftragskiller-Akademie der Ruska Roma unter der Direktorin (Anjelica Huston) zu trainieren.
Jahre später (nun Ana de Armas) kreuzt sie bei einem Auftrag die Wege eines Attentäters, der die selbe Tattöwierung an der Hand hat, wie einst die Mörder ihres Vaters. Ihr gelingt es, nähere Informationen über diese Organisation herauszufinden, sie wird aber aufgefordert, sich dieser nicht zu nähern. Natürlich schlägt sie jegliche Warnungen in den Wind und sucht nach dem ersten Anhaltspunkt zu deren Aufenthaltsort. Doch damit macht sie sich auch in ihren eigenen Reihen Feinde, und alsbald kommt John Wick (Keanu Reeves) selbst ins Spiel.
Ist dein Schicksal vorherbestimmt? Das ist die Kernfrage, die sich der Film zwischen all dem Schießen, Treten, Prügeln und in Brand setzen fragen will. Ana de Armas gibt die von Wut geprägte, ihrer Kindheit beraubte Eve, die stets vor der Frage steht, ob ihr sie eine andere Wahl hat, als selbst zur Killerin zu werden. Von ihrer Suche nach den Mördern ihrer Familie ablassen und in die Zukunft blicken? Dass es natürlich einen guten Grund gibt, warum es doch notwendig ist, dass sie diese Organisation verfolgt, ist klar. Mentaler Cleanse durch Mord muss ja gerechtfertigt bleiben.
Doch das Schöne an Ballerina ist, dass sich der Film die Waage hält zwischen überstilisierter Kampforgie und versuchter tiefgründiger Seelenerforschung. Len Wiseman, der schon die Underworld-Filme, das Total Recall-Remake oder den vierten Stirb Langsam gedreht hat, ist jetzt nicht unbedingt bekannt dafür, seine Filme durch eine distinktive Handschrift oder psychologische Tiefe auszuzeichnen. Das merkt man auch bei Ballerina. De Armas verleigt ihrer Figur verbissene Tragik , ihrer kleinen Statur die nötige Gravitas, um glaubhaft die bösen Kerle auszuschalten. “Ändre die Regeln zu deinen Gunsten” sagt ihr auch die Kampflehrerin bei den Ruska Roma. Trotzdem bleibt ihre Hintergrundgeschichte an den Kanten ungeschliffen, hüpft etwas zu beliebig durch die Actionsequenzen.
Anzurechnen ist Wiseman, dass er nicht allzu offensichtlich versucht, die vorherigen Filme zu kopieren. Er folgt de Armas in langen Einstellungen, wie sie sich durch eine ganze Armee an Widersachern prügelt. De Armas wird fleißig bei Tom Cruise gelernt haben, immerhin hat sie viele ihrer Stunts selbst gedreht, und das sieht man im Endprodukt. Die Begegnungen mit altbekannten Gesichtern wie Ian McShane, Anjelica Huston oder den inzwischen verstorbenen Lance Reddick sind nicht nur Fan-Easter Eggs. Sie entwickeln ihre eigene Dynamik mit de Armas, die weniger abgebrühter alteingesessener Killer wie John Wick ist, sondern aufmüpfiges Mädchen, das aus der Reihe tanzt. Wie sehr sie sich in dieser Einschätzung irren, das zeigt das Finale.
Ohne zu viel verraten zu wollen, als Österreicher darf man sich vor allem auf den dritten Akt des Films freuen. Inmitten der Berge zündet Wiseman nochmals ein Actionfeuerwerk, streng durchchoreographiert, aber dennoch immer mit Verschnaufpausen um noch die eine oder andere Überraschung hinein zu streuen. Und ja, die Begegnungen zwischen Eve und John sind den Film auf jeden Fall wert. Einige der tiefgründigsten Gedanken, wenn sich der Film mal Zeit dafür nimmt, entstehen immerhin hier.
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Mehr InformationenBallerina hätte sicher etwas menschlich komplexer ausfallen können, macht aber als wilde Actionorgie mit tollen Stunts jede Menge Spaß.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.