Die Helden auf Stadiontour: Teil 1. Backstage-Trip ins Emirates Stadium: Wie Wenger die Gegner mit Feng-Shui zermürbt und über allem Thierry Henry schwebt.
von Scarecrou
Wenn man den U-Bahn-Plan der Londoner Metro ansieht, könnte man meinen, man liest eine zeitlose Hitparade (Waterloo Station, Warwick Avenue, Abbey Road, Baker Street), ein veraltetes Kinoprogramm (Notting Hill, Paddington) oder die Tabelle einer englischen Fußball-Liga (West Ham, Tottenham, Queen´s Park, Crystal Palace). Die letzten drei Stationen haben aber nur sekundär etwas mit den Fußballklubs zu tun, bezeichnen sie doch vor allem Stadtteile. Lediglich einem Verein wurde die Ehre zuteil, dass eine U-Bahn-Station nach ihm benannt wurde: Arsenal.
Auf Hornbys Spuren
Arsenal hat seine eigene U-Bahn-Station.
Nur wenige Gehminuten von der Station Arsenal entfernt, befindet sich das Emirates-Stadium, das nach dem Umzug aus Highbury seit 2006 die Heimstätte des Arsenal Football Club ist (jener Verein, dem Nick Hornby seinen Roman Fever Pitch widmete).
Wie kaum ein anderer Klub zelebriert Arsenal seine Geschichte und seine Legenden. Um zum Stadion zu gelangen, muss man zuerst die Ken Friar-Brücke überqueren. Begleitet wird man dabei von riesigen Fahnen, auf denen die Konterfeis der wichtigsten Arsenal-Spieler der Fußballhistorie zu sehen sind.
Allein mit dem Audioguide
Hat man es endlich rund um das halbe Stadion zum Fanshop geschafft, der den Beginn und das Ende der Stadiontour bildet, wartet die erste Überraschung: Der Verein hat so viel Vertrauen in seine Fans, dass er sie, ausgestattet mit einem Audioguide, alleine auf die Tour durch das Stadion schickt.
Na gut. Sehr weit ist es mit dem Vertrauen nicht her. Der Weg wird begleitet von einer großen Anzahl an Arsenal-MitarbeiterInnen. Die achten darauf, dass der Rasen nicht betreten wird, die Besucherinnen und Besucher nicht von der Ehrentribüne stürzen oder dass die Souvenirs nur im Shop erstanden werden und nicht aus der Garderobe mitgenommen werden.
Blumen für die Gäste
Die Tour führt den geneigten Fan zuerst durch die Tiefgarage zum Directors-Eingang, vorbei an den imposanten Büsten der Arsenal-Präsidenten, in die Directors-Loge in den ersten Stock. An den Tischen, die an Spieltagen mit Blumen in den Farben des gegnerischen Teams geschmückt werden, darf man leider nicht Platz nehmen. Dafür aber kann ich von den mit Leder gepolsterten Sitzen der Loge einen langen Blick in das Stadion genießen.
Danach leitet mich die deutsche Sprecherin des Audioguides in den Keller und zum Weg, den jedes Auswärtsteam an einem Spieltag geht. Die Gäste betreten das Stadion immer vor den Spielern von Arsenal, die ihren Gegnern höflicherweise den Vortritt lassen. Was sehen die Gegner zuerst? Ein riesiges Arsenal-Wappen. Was macht der alte Fan? Er steht ehrfurchtsvoll davor und zwinkert dann mit einem verschwörerischen Lächeln einem Buben im Gunnerstrikot zu.
“Feng-Pfui”
Neben der Sprecherin (die viele Geschichten über den Verein, die Entstehung der Kabinen und vieles mehr zu erzählen weiß) wird man von Arsene Wenger und anderen Legenden akustisch auf der Tour begleitet. Nächste Station: Die Away-Kabine. Andere Klubs versuchen die Gegner mit desolaten Kabinen, fehlenden Duschen und nur einer Toilette für ein ganzes Team zu irritieren. Arsene Wenger führt eine feinere Klinge. Er setzte bei der Planung der Kabinen auf Feng-Shui. Betritt man die Away-Kabine, fällt einem zuerst nichts auf. Ein schöner, heller Raum mit einem hohen Tisch in der Mitte. Wenn da das Feng-Shui nicht wäre …
Der Raum ist quadratisch – ganz schlecht, Feng-Shui-mäßig. Der Boden leuchtend schwarz – der Gegner beginnt zu zittern – und der Klotz in der Mitte so hoch, dass sich nicht das ganze Team sehen kann – na, da hat es der Wenger aber dem Gegner gezeigt. Dass sich die Gästekabine von Arsenal in einem Ranking auf Platz zwei (hinter Wembley, vor Chelsea) befindet, zeigt, dass man im Fußball keine Ahnung von Feng-Shui hat.
“Feng-Hui”
Ist das Feng-Shui? Die schwarze Dreizehn rechts außen.
Ein ganz anderes Bild zeigt die Heim-Kabine. Hier ist das Feng-Shui ein Feng-Hui. Der Raum ist hufeisenförmig angelegt, alles indirekt beleuchtet, jeder kann jeden sehen. Der Sanitärbereich erinnert an ein Fünf-Sterne-Hotel.
Nachdem ich die Kabinen hinter mir gelassen habe, darf ich endlich aufs Spielfeld. Der Audioguide-Kopfhörer simuliert jetzt den Lärm, den die Spieler an einem Matchtag hören. Mit Rasen betreten ist nichts. Immerhin kann ich mein Gesäß auf den beheizbaren Sitzen der Gunners wärmen.
Vom Daumenkino bis zum 3D-Puzzle
Am Ende der Tour schlüpfe ich in die Rolle eines Journalisten. Nehme am Tisch von Arsene Wenger Platz. Versorgt wird man dort mit diversen Give-Aways (alten Stadionzeitungen, Teamflyern der Vorsaison). Am Ende der Tour lockt der Fanshop von Arsenal. Hier lassen sich nach dem happigen Eintritt die übrigen Münzen in Trikots, T-Shirts, Kalender, Daumenkinos der schönsten Tore, ein 3D-Stadion-Puzzle oder ein Arsenal-Monopoli investieren.
Wer Zeit hat, macht noch einen Abstecher ins Arsenal-Museum. Dort werden diverse Memorabilien (Cups, alte Dressen, ausgelatschte Schuhe) ausgestellt. Und über allem schwebt wie ein Engel die Arsenal-Legende Thierry Henry.
Das Emirates Stadium bietet rund 60.000 Zuschauern Platz und wurde 2006 für über 600 Millionen Euro als neue Heimstätte des FC Arsenal aus dem Boden gestampft.
26 Euro bzw. 20 Pfund für die Stadionführung
Mit U-Bahn: Blaue Picadilly-Line – Station Arsenal oder Holloway Road
Adresse: Hornsey Rd, London N7 7AJ, United Kingdom
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Ist den Preis absolut wert. Man sieht Teile des Stadions, die einem sonst verborgen bleiben. Besonders cool: Alleine mit dem Audioguide unterwegs, kann ich das Tempo der Besichtigung selbst bestimmen.
Fotos: heldenderfreizeit.com