Die Infizierten wüten wieder in Großbritannien. 23 Jahre nach 28 Days Later kehren Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland in die Apokalypse zurück.
von Susanne Gottlieb, 20. 6. 2025
Es war der Film, der das Zombie-Genre revitalisierte: Der britische Endzeitthriller 28 Days Later, mit seinen blitzschnellen Infizierten, keinen untoten Zombies, den Low-Budget-Visuals und den ikonischen Szenen, wie etwa wen Cillian Murphy durch ein komplett leeres London wandert. Danny Boyle, der dank Trainspotting bereits eine Ikone des unkonventionellen Storytelling war, bewies erneut sein Händchen für dramatische, packende Stoffe. Alex Garland, der bis dahin als der Autor von The Beach bekannt war (ebenfalls von Boyle mit Leo DiCaprio verfilmt), lieferte das Drehbuch. 2007 folgte mit 28 Weeks Later eine nicht minder erfolgreiche Fortsetzung, in der beide nur mehr als Berater und Produzenten tätig waren (wo du beide Filme aktuell streamen kannst, liest du hier in unserer Liste der besten Virus-Filme).
Nun, 23 Jahre später, kehren sie zur Reihe zurück und liefern den Auftakt einer neuen Trilogie. Der Rage-Virus mag zwar schon eine Weile wüten. Wie 28 Years Later beweist, gibt es hier aber noch genug zu erzählen. Wir sagen schon vorab: Nicht verpassen!
28 Jahre sind vergangen seit das Rage-Virus über Großbritannien und Irland ausbrach. Seither existieren die Inseln als eine strenge Isolationszone, die Überlebenden und die Infizierten wurden sich selbst überlassen. In dieser Welt wächst der 12-jährige Spike (Alfie Williams) auf. Er und seine Eltern Jamie (Aaron Taylor-Johnson) und seine an einer mysteriösen Krankheit leidende Mutter Isla (Jodie Comer) sind Teil einer Gemeinschaft, die auf einer Insel Zuflucht gefunden hat. Rein verbunden über einen Damm, der bei Flut verschwindet, hat sich so etwas wie Normalität in der Gruppe entwickelt. Trotzdem, jeder Jugendliche wird in einem Übergangsritus in Begleitung aufs Festland geschickt, um einen Infizierten zu erlegen.
Auf seinem Trip mit Jamie entdeckt er, als sie sich die Nacht vor Infizierten auf einem alten Dachboden verstecken müssen, in der Ferne ein Feuer. Zurück auf der Insel, wo er nach den traumatischen Stunden als Gejagter wenig Grund zum Feiern seiner Rückkehr findet, findet er heraus, dass das Feuer von Ian Kelson (Ralph Fiennes) stammt. Ein Arzt, den alle für gefährlich und verrückt halten. Da sein Vater seine kranken Mutter scheinbar aufgegeben hat, beschließt Spike, sie selber zu Kelson zu bringen. Doch können ein kaum in das gefährliche Festland initiierter Jugendlicher und eine oft verwirrte, kranke Frau die Bedrohung an jeder Ecke meistern?
Wie auch schon in den Vorgängern geht es den Machern weniger um die Infizierten selbst oder um blutrünstige Verfolgungsjagden. Vielmehr debattiert der Film grundlegende menschliche Erfahrungen, gesellschaftliche Sensibilitäten und Herausforderungen. In den ersten beiden Filmen standen dabei die zusammenbrechende gesellschaftliche Ordnung, die Angst vor Infektionen und vor einem unkontrollierbaren Mob im Mittelpunkt. Geprägt von 9/11 stellte sich die stets die Frage, wie die Menschheit auf so eine Situation reagieren würde. Wie die Überlebenden sind jene, die nicht infiziert sind, geprägt von Trauma, Überlebensschuld und geistiger Leere.
Nun, nach all den Jahren, werfen Boyle und Garland einen Blick auf die Gesellschaft, die diesem Chaos entwachsen ist, und wie junge Menschen wie Spike diese navigieren. Dieser mag vielleicht nicht wissen, was ein Handy oder Streaming ist, in vielem anderen scheint er aber ein ganz normaler Bub zu sein. Die kindliche Neugier und sein großes Herz werden ihn aber von einem Umfeld, das auf Überleben getrimmt ist, alsbald ausgetrieben. “Es wird einfacher, je öfter du es machst”, erklärt ihm Vater Jamie, als er ihn wiederholt zwingt, einen Infizierten zu erlegen. Der Konflikt, der sich zwischen den beiden aufwiegelt, schwappt auch alsbald auf die Frage von Mutter Isla über. Jamie, der von Tod und Verderben gezeichnete Pragmatiker, scheint das nahende Ende seiner Frau emotionslos auszusitzen. Spike hingegen will sie retten.
Dieses Festhalten am Leben, aber gleichzeitig der Verlust seines Wertes sind wiederkehrende Elemente der Handlung. Auf seinen Reisen über das Festland begegnet Spike sowohl primitiven infizierten Gesellschaften, als auch anderen Menschen, die ihre eigenen Idiosynkratien geformt haben, um in dieser Welt zu überleben. Kelson scheint auf den ersten Blick ein Verrückter zu sein. Doch ist er mehr mit seinen Gefühlen im Einklang, weil er sich an die neue Welt gewöhnt hat? Weniger versucht sich ihrer zu erwehren? “Memento mori”, erklärt er wiederholt Spike. Alles ist vom Tod umgeben. Doch nicht jeder Tod ist eine Qual.
Eingefangen werden diese Bilder abermals vom Kamermann Anthony Dod Mantle, der fliegend zwischen ausufernden Totalen der verwüsteten britischen Städte, der rauen Schönheit der Grafschaft Northumberland und den actionreichen, wackeligen Aufnahmen der Infizierten-Attacken wechselt. Primär auf iPhones gefilmt, erwecken die wie eine Bodycam wirkenden Aufnahmen Parallelen zu Egoshooter Spielen, ohne jedoch je einer Videospiel-Ästhetik zu verfallen. Die blutrünstigen Sequenzen stehen nie im Zentrum, drängen sich nicht als reine Materialschlacht auf. Das Herz der Geschichte bleibt stets Spikes Reise vom unbescholtenen Jugendlichen zu einem Überlebenden, der die Herausforderungen und Abgründe seiner Welt navigieren muss.
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Mehr Informationen28 Years Later ist eine rundum gelungene Fortsetzung, die die Tür weit aufstößt für weitere, spannende Geschichten und thematische Abhandlungen unserer Zivilisation.
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Aufmacherfoto: (c) Sony Pictures
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.