Wenn Rachel Weisz und Emma Stone in The Favourite um die Aufmerksamkeit von Olivia Colman konkurrieren, ist nichts heilig. Lest in unserem Review, warum diese rabenschwarze Komödie einer der unterhaltsamsten Filme des Jahres ist.
22. Jänner 2019: Auf den ersten Blick wirkt The Favourite (deutscher Titel: Intrigen und Irrsinn) nicht außergewöhnlich. Angesiedelt im frühen 18. Jahrhundert am Hofe der britischen Queen Anne denkt man zunächst an ein weiteres starres Kostümdrama. Doch The Favourite ist alles andere als das. Die auf historischen Fakten basierende Geschichte, in der zwei Hofdamen um die Gunst der kränklichen Königin streiten, sprüht vor Charme, Bissigkeit, flotten Dialogen und wunderbaren Darstellern.
Wenn auch diesmal nicht aus der eigenen Feder, zeichnet sich für den flotten Stil der Regisseur Yorgos Lanthimos verantwortlich. Der Grieche hat sich bereits mit der schwarzen Komödie The Lobster und dem Psychothriller The Killing of a Sacred Deer einen Namen für ungewöhnliche Stoffe gemacht. Ihm zur Seite steht ein wundervolles Damentrio. Emma Stone und Rachel Weisz setzen hier weitere Karriere Highlights, der Film selber gehört aber der großartigen Olivia Colman als Anne, die bereits dabei ist fleißig Preise für ihre Darstellung zu gewinnen.
Diese Woche startet er bei uns im Kino. In unserem Review berichten wir euch, um was es geht und was den Film auszeichnet.
England 1708. Queen Anne (Olivia Colman) regiert das Land, oder besser gesagt ihre Lieblings-Hofdame und heimliche Geliebte Sarah Churchill, Herzogin von Malborough (Rachel Weisz). Anne, seit ihrer Kindheit gebrechlich und politisch stets bevormundet, führt Krieg mit Frankreich und die Gelder werden knapp. Sarah will Anne dazu bewegen die Steuern zu erhöhen. Sie bekommt dabei aber Gegenwind von Robert Harley (Nicholas Hoult), dem Tory Anführer. In diese politische Pattstellung schneit Sarahs verarmte Cousine Abigail Hill (Emma Stone) hinein. Deren Ruf wurde durch die Spielsucht ihres Vaters zerstört, der sie als Dienstmagd verscherbelt hat. Sarah lässt sie zunächst Schwerstarbeit als einfache Angestellte erledigen. Doch als Abigail die Schmerzen der Königin in ihrem Bein erkennt, kann sie mithilfe von Kräuterkunde Linderung bringen. Das verschafft ihr eine höhere Position und mehr Nähe zu Anne.
Hier beginnen die perfiden Intrigen aufzublühen. Während Sarah sich auf den Krieg, in dem auch ihr Mann (Mark Gatiss) kämpft, konzentriert, wird bald klar, dass Abigail nicht die dankbare kleine Cousine ist, für die man sie zunächst hält. Die junge Frau will mehr. Und zwar die Absicherung jenes komfortablen Lebens, das ihr bisher verwehrt war. So beginnt sie um die Gunst der Königin zu werben. Unterstützend wirken sowohl Harley als auch der adelige Lord Masham (Joe Alwyn), die in Abigail ihre Chance sehen Sarah zu entmachten und den Krieg und die Steuern ad acta zu legen. Als Sarah klar wird, dass Abigail es auf ihre Position abgesehen hat, beginnen die Damen einen gnadenlosen und amüsanten Kampf um die Gunst der unbekümmerten Anne.
Basierend auf der wahren Geschichte von Lady Churchill, Herzogin von Marlborough und ihrer Cousine Abigail, Baronin Masham, haben Drehbuchautoren Deborah Davis und Tony McNamara ein Feuerwerk an absurden, obszönen und verkorksten Figuren und Dialogen geschaffen. In den Händen manch anderer Regisseure wäre das an schmutziger Sprache und Witz reiche Werk vielleicht in das klassische Kostümfilmkorsett gesteckt worden. Nicht so bei Lanthimos. Der Regisseur bringt seinen bereits bekannten absurden Stil in das Werk ein und hebt es somit von zeitgenössischen historischen Dramen ab.
Visuell ist der Film eine ungefesselte Arthouse Ekstase. Lanthimos spielt mit der Optik, lässt die endlos langen Korridore noch länger wirken, die Fußballstadien großen Räume noch opulenter. Mit schrägen und ungewöhnlichen Kamerawinkel fängt er sprichwörtlich die verquere Lage seiner Figuren ein, um im nächsten Moment diese in ausladenden weitwinkligen Szenen von ihrer Umgebung verschlucken zu lassen. Doch nicht nur die Räumlichkeiten wirken wie ein Albtraum. Der überpuderte, grotesk gekleidete Hofadel vergnügt sich bei Entenrennen und beschmeißt, begleitet von barocken Klängen und in Slow-Mo, nackte Tory Politiker mit Obst.
Im Gegensatz zur klassischen Verklärung britischer Vergangenheit, zeigt The Favourite eine Welt, in der jeder Satz ein kleiner Dolch ist und jeder gegen jeden Intrigen spinnt. Die Formalitäten und die Etikette sind nur ein Schleier hinter dem sich die Figuren verbergen. Eine Notwendigkeit, um die hochgelobte Zivilisation am Leben zu erhalten. „Ich war interessierteinen Teil der Geschichte aufzuarbeiten, in dem Frauen an der Macht und nicht sonderlich nette und sympathische Charaktere waren,“ erklärte Drehbuchautorin Davies kürzlich in einem Interview mit dem US Magazin Deadline. Es ist vor allem dieser erfrischende Zugang zu vielschichtiger Weiblichkeit, der dem Film eine besondere Note verleiht.
Abigail und Sarah sind nicht die koketten netten Damen aus einer vergangenen Ära. Jede verfolgt ihre eigenen persönlichen Ziele. Der Film rühmt sie weder dafür noch verurteilt er sie. Die Killerinstinkte, die die beiden entwickeln geben vielmehr Raum für eine ungezügelte Schlammschlacht, die sich immer mehr ins Extrem schaukelt. Irgendwann beginnt man sich als Zuschauer selbst zu fragen, ob Abigail und Sarah hier einer Erfüllung am Hofe entgegen streben oder nur dem nächstbesten goldenen Käfig. Weisz verleiht ihrer Sarah stoische Härte, während Stone ihren typisch albernen Charme gezielt einsetzt und bei Bedarf in eiskaltes Kalkül umwandeln kann.
Obwohl der Film sich vorwiegend an dem privaten Krieg der beiden ergötzt, das schauspielerische Epizentrum ist Colmans Anne. Die infantile, launische Königin, die mal bockig ist und im nächsten Moment wieder traurig oder bedürftig, ist eine schauspielerische Herausforderung. Colman schafft es, der komplexen (manchmal auch widerlichen) Figur ihrer Anne mit Grazie und Imposanz Leben einzuhauchen. Ihre Naivität ist weniger ein Stich gegen die Monarchie, sondern ein Ausdruck der Tragik, die ihr eingeschränktes unmündiges Leben ausmacht.
The Favourite ist ein verruchter und unterhaltsamer Trip in eine Welt zu Hofe, wie man sie üblicherweise nicht kennt. Der Film hält sich nicht damit zurück ein Trio an egozentrischen Figuren zu zeigen, die mit teilweise amüsanten, teilweise abstoßenden Mitteln versuchen ihren sozialen Stand zu erweitern. Eingebettet in einer bizarr-pompösen Umgebung ist The Favourite die Antwort darauf, ob Kostümfilme noch immer ein Kassenmagnet sein können. Wenn in diesem Stil, absolut. (sg)
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