Guillermo del Toro und seine geliebten Monster: In seiner Version von Mary Shelleys Frankenstein (im Kino und auf Netflix zu sehen) schickt er Oscar Isaac und Jacob Elordi auf Konfrontationskurs. Warum er dabei nicht ganz an seine besten Werke anschließen kann.
Review von Susanne Gottlieb, 23. 10. 2025
Wenn wir etwas die letzten Jahrzehnte über Guillermo del Toro gelernt haben, dann dass er sich mit den Monstern solidarisiert, weniger mit dem klassischen (weißen) männlichen Helden der Erzählung. Was würde also besser passen als Mary Shelleys Frankenstein. Der gothische Roman, den sie mit 18 Jahren schrieb, und der 1818 veröffentlicht wurde, gilt als der Urknall des modernen Sci-Fi. Ein Wissenschaftler erschafft Leben und ist schockiert von dem “Monster”, das dadurch entstanden ist. Perfekt also für den mexikanischen Regisseur – der immer in den Monstern die verletzte Seele sucht.
Ab 23. Oktober ist Frankenstein bei uns in ausgewählten Kinos zu sehen. Am 7. November geht der Film beim Streaminganbieter Netflix online. Wir haben ihn für euch bereits gesichtet.
Einst musste er mitansehen, wie seine geliebte Mutter bei der Geburt starb und sein brillanter Chirurgen-Vater sie nicht retten konnte. Seither wird der Wissenschaftler und Arzt Victor Frankenstein (Oscar Isaac) von einem Wunsch getrieben: den Tod zu überwinden und Leben zu schaffen. In Edinburgh wird er jedoch aufgrund seiner “Blasphemie” hinausgeworfen. Just in dem Moment tritt der vermögende Harlander (Christoph Waltz) in sein Leben. Er ist der Onkel von Elizabeth Lavenza (Mia Goth), die gedenkt Victors sanfteren, feinfühligen Bruder William (Felix Kammerer) zu ehelichen.
Da Harlander an die Mission glaubt, dass Victor Leben erschaffen könnte, finanziert er ihn und lässt Victor sein Labor bauen. Wesentlich kritischer, aber hilfsbereit, stehen Elizabeth und William der Mission gegenüber. Zu Elizabeth fühlt Victor sich hingezogen, diese erkennt aber schnell seine emotionale Kälte und seinen Narzissmus. Den muss auch die Kreatur (Jacob Elordi) erfahren, die Victor schließlich zum Leben erweckt. Seine Grausamkeit wirft beide auf unterschiedliche Pfade mit Opfern und Schmerz. Bis sie sich im hohen Norden im ewigen Eis wieder begegnen…
Große Bilder, stimmige Details, extravagante Einrichtung und Kostüme. Es ist unschwer, einen Guillermo del Toro-Film zu erkennen. Auch wenn er diesmal in manchen Szenerien vielleicht etwas zu sehr auf das Design aus dem Computer gesetzt hat. Wenn nämlich gleich einmal etwas an dem Film auszusetzen ist, dann dass er oft etwas zu konstruiert wirkt, was die Landschaft, die tierischen Monster und die Weiten der Berge betrifft.
Doch man möge del Toro diese Schönheitsfehler verzeihen, denn ansonsten besinnt er sich ganz und gar auf seine Stärken. Die menschliche Überheblichkeit gegenüber jenen, die man als weniger würdevoll und einer eigenen Identität mächtig empfindet. Das egoistische Streben nach Profilierung und Dominanz über alle anderen. Die Verletzlichkeit, die jene mit sich bringen, die diesen Launen ausgesetzt werden. Und letztendlich die Frage, wer denn nun in dieser Erzählung das größere, oder wahre Monster ist.
Im Gegensatz zu Shelleys Roman, der rein aus der Sicht Frankensteins erzählt wurde, unterteilt del Toro seine Erzählung, lässt sowohl Victor als auch die Kreatur zu Wort kommen. Da gibt es Wölfe, die die Kreatur besiegen muss. Einen einfühlsamen Alten, dessen Freund es wird. Und die Erkenntnis, dass der herrische Mensch vielleicht gar nichts gegen die Monster hat. Dass es ihm vom System auferlegt wurde, diese zu hassen und zu fürchten. Elordi spielt die Kreatur weniger gespenstisch, sondern wie ein traumatisiertes Kind, das sich mit der Zeit zunehmend wie ein sexy Goth-Monster manifestiert. Isaac fängt gekonnt die Arroganz Frankensteins ein, aber auch dessen Hadern mit den eigenen Abgründen.
Letztendlich hantelt sich del Toro, trotz kleiner Änderungen, sehr bewusst an den altbekannten Eckpunkten der Handlung entlang. Viel Raum für herausfordernde neue Ideen lässt er nicht, auch wenn der Cast, darunter ein wie gewohnt süffisanter Waltz, ein sanfter Kammerer und eine willensstarke Goth, hier durchaus mit dem Material zu spielen wissen. Letztendlich ist der Film erneut eine Liebeserklärung an seine Monster – wenn auch diesmal mit einer etwas vageren Ausbalancierung von Gut und Böse.
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Mehr InformationenFrankenstein begeistert optisch und mit tollen Darstellern, del Toro lässt aber etwas von der eigenen Magie vermissen.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.