Was passiert wirklich auf einer sonnigen Partyinsel? In Zoë Kravitz’ Regiedebüt wechselt die Stimmung alsbald von heiter auf brutal-gruselig. Und das macht die Neo-Regisseurin gekonnt.
von Susanne Gottlieb, 23. 8. 2024
Irgendwann trifft es jeden mal im Business. Das Bedürfnis, sich als Schauspieler:in auch einmal im Regiestuhl auszuprobieren. Diesmal hat es Zoë Kravitz erwischt, die nach einer bereits erfolgreichen Sänger- und Schauspielkarriere sowohl das Skript schrieb, als auch die Regie bei Blink Twice übernahm. Ist ihr der Wechsel hinter die Kamera gelungen? Durchaus, wie du in unserer Kritik zu Blink Twice, der gerade im Kino angelaufen ist, gleich erfährst.
Cocktail-Kellnerin Frida (Naomie Ackie) ist nicht gerade zufrieden mit ihrem Leben. Zwischen Mietproblemen mit ihrer besten Freundin Jess (Alia Shawkat) und einem Nailart-Instagram-Channel gibt es wenig, wofür sie sich begeistern kann. Eines der wenigen Dinge ist der Milliardär Slater King (Channing Tatum). Der ist gerade aufgrund eines Skandals als CEO seiner Firma zurückgetreten und versucht sich nun die Gunst der Öffentlichkeit mittels Spendengalen zurück zu kaufen. Bei einer dieser Events arbeitet Frida im Service, ein Hoppala bringt die beiden zusammen, die Funken sprühen.
So sehr, dass sie und Jess alle Sorgen, dass dies ein komplett wildfremder Mann ist, über Bord werfen, und mit ihm, einer Gruppe von seinen Freunden (Christian Slater, Simon Rex, Kyle MacLachlan, Haley Joel Osment und Levon Hawke) und einer Gruppe Frauen (u.a. Adria Arjona) auf seine einsame Insel fliegen. Dort scheint auch zuerst ein Urlaub aus dem Traum-Katalog wahr zu werden. Endloser Champagner, exquisite Küche, Pool, Sonne, Drogen und Party. Dass alle die Handys abgeben sollen, wirkt vielleicht seltsam, aber verkraftbar. Doch irgendwann, in dieser endlosen Party, stellt sich die Frage, was es wirklich mit der Insel auf sich hat. Warum seltsame Dinge passieren, und die Putzfrau Frida zu erkennen scheint.
Wenn man diese erste Hälfte der endlosen Partymontage, die sich durchaus etwas zieht, überwunden hat, beginnt der Film auch wirklich unterhaltsam und düster, teilweise richtig plastisch brutal zu werden. Kravitz hat sich beim Schreiben nicht zurück gehalten. Mit ihrem Verlobten Channing Tatum in einer Hauptrolle, diesmal nicht als selbstironischer Witzvogel, sondern als düster anmutender Charmebolzen, setzt sie sich mit den moralischen Implikationen von #metoo auseinander. Was tun mit Männern, die auf “vergeben und vergessen” plädieren. Ist Milliardär Slater King wirklich ein geläuteter Mann? Oder kann man seine Instinkte nicht aufgeben? Kann ein “Entschuldigung” wirklich alles gut machen?
Das Ganze serviert Kravitz zwar oft mit einem zu offensichtlichen moralischen Zeigefinger (“Glaub Frauen!” ruft da die eine Verzweifelte, “Was haben wir uns dabei gedacht, mit fremden Männern auf eine Insel zu fliegen” die andere) aber dankenswerterweise sieht sie alsbald davon ab, hier nur kommentieren zu wollen. Um zu überleben, muss Frida sich wehren, sich nicht von schönen Momenten und Charme-Offensiven einlullen lassen. Eine Rachefantasie, vor allem in einer Welt in der Frauen mitansehen müssen, dass nur den wenigsten Tätern wirklich langfristige Konsequenzen drohen. Harvey Weinstein mag im Gefängnis sitzen. Andere, wie Kevin Spacey oder Louis C.K., konnten nach ein paar Monaten weiter machen als wäre nie etwas gewesen.
Um dieser männlichen Bedrohung entgegen zu wirken, muss sich Frida, gespielt von der herrlich ambivalenten Naomi Ackie, mit Arjonas Figur Sarah verbünden. Der Frau, die erst mit ihr um die Gunst von Slater King ringt. Auch hier pusht Kravitz’ Skript zum Teil das Offensichtliche zu oft – “Frauen werden zum Wettbewerb erzogen”, sind sich beide unglücklich einig – aber die Tatsache, dass sofort alle Unstimmigkeiten beiseite werfen als sie merken, dass hier etwas nicht stimmt, ist erfrischend. Kein kindischer, unnötig langer Konflikt wird konstruiert, hier kickt der Überlebensinstinkt ein. Gleichzeitig sieht Kravitz davon ab, allzu schwarz-weiß zu zeichnen. So wie nicht alle Männer auf der Insel aus demselben Holz geschnitzt sind, so wird auch bald klar, dass Frida ebenfalls dunkle Instinkte besitzt.
Ein lustiger Seitenhieb Kravitz mag hier noch sein, dass sie hier viele Altstars oder vergessene Größen gecastet hat. In einem Film, in dem es so stark um Erinnerung und Vergebung geht, ist es natürlich amüsant, wenn hier ein paar Paradebeispiele die Leinwand zieren. Christian Slater und Geena Davies, die beide in den 90ern viele Fans wegen schlechter Filme verloren hatten, und seither eher seltener in großen Produktionen zu sehen waren. Haley Joel Osment, der ehemalige Kinderstar der sich langsam eine Nische zurecht zimmert. Simon Rex, eines dieser “Woher kenn ich den”-Gesichter (Scary Movie ist die Antwort). Und Levon Hawke, ein weiteres Nepo-Baby aus der alteingesessenen Hollywood-Schmiede.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenBlink Twice braucht etwas, um seinen Rhythmus zu finden. Aber dann ist es bitterböses Kino, das schockiert und unterhält. Eine Rachefantasie done right.
Wirf einen Blick in unseren Seher-Bereich oder auf folgende Artikel. Da findest du praktische Übersichten und weitere Filmkritiken:
Alle aktuellen Kinostarts
Favoriten – bewegende Rückkehr auf die Schulbank
Alien: Romulus – endlich ein würdiges Sequel
Deadpool & Wolverine – überladenes Loblied
Twisters – groß, dumm, aber spaßig
Alle Fotos: © Warner Bros
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.