Muay Thai-Kämpfer sind durchtrainiert, schnell und in Thailand wahre Helden. Auch bei uns wird der brutal wirkende Sport immer beliebter. Aber was ist dran am Mythos Thaiboxen? Helden der Freizeit-Reporterin Jacqueline hat in Thailand den Selbstversuch gemacht und direkt beim ersten Training ihrem Trainer in die Eier getreten.
von Jacqueline Bohrmann
„Uff“ stöhnt Coach A und krümmt sich zusammen. Er fasst sich in den Schritt, sein Gesicht sieht gequält aus. Ups, da ist mein Fuß wohl etwas zu weit rechts gelandet. Nicht, wie gewollt, in den Pratzen in seiner Hand, sondern mitten in seinen Eiern. Und das, als ich gerade richtig mit Kraft zu getreten habe … Aber von vorne.
Ich habe heute meine erste Trainingsstunde im Muay Thai. Muay Thai, bei uns auch Thaiboxen genannt, ist Nationalsport in Thailand. Er gilt als brutal, gefährlich und Kämpfe wirken auf Außenstehende, als ob es keine Regeln gibt. Hier in Thailand betreiben aber schon kleine Kinder Thaiboxen. Die professionellen Kämpfer werden wie Helden verehrt und auch weltweit wird der Sport immer beliebter, auch bei uns. Ich will im Selbstversuch testen, was wirklich dran ist am Mythos Thaiboxen.
Im Geburtsland des Kampfsports trainiere ich im Thanyapura auf der beliebten Ferieninsel Phuket. Los geht’s direkt mit der richtigen „Kleidung“. Wir bekommen rote Bandagen, die um die Fäuste gewickelt werden. In der Gruppe von acht Frauen bin ich die einzige, die Muay Thai noch nie ausprobiert hat. Und damit fällt schon mein erstes Vorurteil: Der Sport wird hier oft von Frauen als Hobby betrieben und nicht von pubertären Jungs mit zu viel Testosteron. Die Bandagen sitzen gut dank der Hilfe unseres Trainers und ich fühle mich kampfbereit wie Tomb Raider. Wir starten aber erstmal mit Aufwärmübungen.
Nach gerade mal zehn Minuten kündigt sich mein erster Krampf an. Wir boxen in die Luft, reißen die Knie in die Höhe und machen die ersten Kombinationen aus Schlägen und Tritten. Ich bin schon ganz außer Atem – kein Wunder bei 30 Grad im Schatten. Bei unserem Trainer sieht das ganze irgendwie einfacher und nicht so angestrengt aus. Er nennt sich übrigens Coach A. Ich schätze, weil sein thailändischer Name für Ausländer unaussprechbar scheint.
Thaiboxen ist vor über 1000 Jahre entstanden. Ursprünglich wurde es für den Krieg entwickelt. Auch heute ist die Kampfkunst noch Teil des thailändischen Militär- und Polizeidiensts, denn es ist eine der effektivsten Formen der Selbstverteidigung. In Thailand füllen die Kämpfe ganze Stadien. Ich war auch schon bei einem dabei und was soll ich sagen? Bei den Kämpfen kommen die sonst eher zurückhaltenden Thais richtig aus sich heraus. Kein Wunder, viele Thailänder setzten eine Menge Geld auf die Muay Thai-Kämpfer.
Nach den Trockenübungen geht es dann das erste Mal auf Tuchfühlung. Zusammen mit einer Partnerin übe ich die Technik. Langsam und noch sehr vorsichtig trete ich gegen Beine, wehre Schläge gegen meinen Kopf ab und suche den richtigen Stand. „Ein Fuß immer auf Zehenspitzen“, ruft mir Coach A zwischendurch zu. Und dann kommt, auf was ich die ganze Zeit gewartet habe. Der Coach zieht sich Protektoren und Pratzen an und wir bekommen richtige Boxhandschuhe, es geht mit dem „richtigen“ Thaiboxen los.
Jetzt ist es also auch bei uns soweit. Ich schlage das erste Mal in meinem Leben einen anderen Menschen mit voller Kraft. Okay, der Mensch ist geschützt und vorbereitet, trotzdem ist das erstmal ein komisches Gefühl. Meine Faust rast auf die geschützte Hand unseres Trainers zu und prallt mit einem lauten Schlag auf. Jetzt soll ich ihm einen Kinnhaken geben. Auch diesen Schlag wehrt der Coach mit seinen Pratzen ab. Dann sind Tritte dran. Erst weiter unten gegen sein Schienbein, dann weiter oben. Und dabei passiert es. Ich verliere die Kontrolle über mein Bein und hole etwas weiter aus als gedacht. Deswegen trete ich dem Coach voll in die Eier. Er schüttelt sich, alle anderen lachen sich kaputt und applaudieren mir. Anscheinend passiert hier sowas öfter mal. Ich entschuldige mich tausendmal aber er steht schon wieder bereit und wartet auf meinen nächsten Schlag.
Der Coach muss in diesem Training einiges einstecken. Die anderen Frauen treffen ihn nach mir noch zwei Mal am Kopf. Einmal landet eine Faust an seinem Kinn, ein anderes Mal schafft es sogar ein Fuß an seinen Hinterkopf. Ich bin echt beeindruckt, wie schnell die anderen auf die Anweisungen des Trainers reagieren und wie laut es knallt, wenn sie zuschlagen. Da steckt Power dahinter. Außerdem merke ich schnell, wie auch meine Tritte und Schläge schnell präziser werden und ich mehr Kraft reinbringen kann. Coach A motiviert mich immer wieder und lässt mich zehn Mal hintereinander schnell schlagen. Danach bin ich k.o.
Für diesen Sport braucht es nicht nur Ausdauer, Schnelligkeit und eine Menge Power, sondern vor allem auch Konzentration. Mir hat das Training sehr viel Spaß gemacht, am Ende bin ich platt und total ausgepowert. Das merke ich wohl noch die nächsten Tage, denn beim Thaiboxen habe ich Muskeln beansprucht, die sonst eher einen entspannten Job haben. Ich kann gut verstehen, dass der Kampfsport immer beliebter wird und viele Menschen auch gerne die Kämpfe sehen. Jetzt, nachdem ich Thaiboxen selbst ausprobiert habe, kann ich auch die Kombinationen und Kämpfe besser verstehen. Außerdem kann ich mir gut vorstellen auch zu Hause öfter mal bei einem Training mitzumachen. Am besten immer dann, wenn ich mich mal wieder richtig auspowern will.
Auch wenn aktuell nix ist mit reisen, dann können wir uns ja immerhin hinträumen. Und das geht kaum besser als mit Jacquelines Storys:
Koh Samui billig erobern: 7 Insider-Tipps
Batu Caves: Das Must-See in Kuala Lumpur
Bohol Tipps – Zwischen Schokobergen und Traumstränden
Osaka Tipps: Das erste Mal in Japan
Fotos: reiseritis.de/Jacqueline Bohrmann