Am nordwestlichen Rand des binationalen Nationalparks Thaytal / Podyjí liegt der tschechische Vranov-Stausee (Frainer Stausee). Eingebettet in dichte Wälder und umgeben von imposanten Felswänden, erinnert seine friedliche Atmosphäre an die Landschaften Nordeuropas. Dank seiner beachtlichen Größe können große Ausflugsschiffe auf dem See verkehren. Die hervorragende Wasserqualität, die auch zur Trinkwassergewinnung genutzt wird, lädt zum Schwimmen und Wassersport ein. Am westlichen Ende des Sees thront die mittelalterliche Burg Bítov, auch bekannt als Vöttau. Im Inneren der Burg erwartet Besucher ein verspieltes Ambiente im Stil der Ritterromantik. Im zwanzigsten Jahrhundert erhielt die Burg durch ihren letzten Besitzer, Baron Haas, eine außergewöhnliche Prägung. Seine Liebe zu Hunden ging so weit, dass er Dutzende von ihnen präparieren und ausstellen ließ.
Nach unserem Ausflug zum spektakulär gelegenen Schloss Vranov (hier unser Bericht) in der Nähe zeige ich dir im 14. Teil meiner Serie “Grenzgänger”, wie du einen Tagesausflug von Wien zum Vranov-Stausee oder ein Wochenende dort zu einem unvergesslichen Erlebnis machen kannst. Mit Insider-Tipps, kulinarischen Empfehlungen und einer praktischen Orientierungskarte. In einem Kurzvideo auf hier auf Instagram sowie hier auf TikTok kannst du dir einen guten Eindruck verschaffen.
von Martin Kienzl, 2. 8. 2025
Mit der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei senkte sich ab 1948 an der Thaya-Grenze ein Eiserner Vorhang (Winston Churchill) herab. Über 400 Jahre war diese Grenze die meiste Zeit eine symbolische gewesen. Nun wurde sie plötzlich mit Wachtürmen, Zäunen und Todeszone abgeriegelt. Die Mehrheit der Tschechen durfte nicht, wie früher, in die Alpen oder ans Mittelmeer auf Urlaub fahren.
In dieser Zeit wurde der Vranov-Stausee, die Vranovská přehrada (Frainer Talsperre), zum Ersatz für das Meer. Denn der südmährische, vom pannonischen Klima beeinflusste Stausee, ist wärmer als die Böhmischen und Waldviertler Gewässer. Die durchschnittliche Wassertemperatur im Sommer liegt bei 25 Grad – wie in Grado oder Lignano. So machten Tourismusveranstalter aus der zuvor, sehr österreichisch, als Sommerfrische beworbenen Urlaubsdestination, die Mährische Adria (Moravský Jadran). Obwohl der schmückende Beiname den landschaftlichen Charakter des südmährischen Stausees nicht widerspiegelt, hält er sich bis heute.
Seine dunkle Wasserfläche, die Felsen und Bäume am Ufer erinnern eher an die Seen des südschwedischen Smålands. Wie dort verleihen im Thayatal kristalline Gesteine, hier des Böhmischen Massivs (Český masiv), der Gegend einen urtümlichen Charakter. Granit und Gneis sind, in Wollsackverwitterung, wie Matratzen übereinander gestapelt. Und wie in Astrid Lindgrens Småland prägen Buchen, Kiefern, Erlen und vereinzelt Birken das Landschaftsbild.
Um die Illusion, sich wie in Schweden zu fühlen, perfekt zu machen, stehen an den Ufern des Vranov-Stausees kleine, teils bunt bemalte Holzhäuser, an deren Stegen Boote befestigt sind. Größere Bauten gibt es am Vranov-Stausee, zum Glück, nicht.
Platz zum Rudern, Motorboot fahren, Segeln, Angeln, Wandern und Radfahren hast du genug. Mit dreißig Kilometern ist der Vranov-Stausee fast so lang wie der Neusiedler See. Und mit 7,7 km² gut doppelt so groß wie der Ottensteiner Stausee im angrenzenden Waldviertel. Ihn haben wir dir im Beitrag Ottensteiner Stausee – so schön ist ein Sommertag im Waldidyll vorgestellt.
Der Plan, hier die Thaya (Dyje), die im Dreiländereck Tschechien-Österreich-Slowakei in die March mündet, aufzustauen, wurde bereits 1912 entwickelt. Ursprünglich sollte eine Reihe von mehreren kleineren Staudämmen errichtet werden. Zur Stromerzeugung und Vermeidung von Überschwemmungen. Doch noch zu Monarchie-Zeiten entschloss man sich zu einem rentableren großen Staudamm. Und bereits damals hatte man die Freizeit-Nutzung im Blick.
Gebaut wurde nach der Gründung der Tschechoslowakei, ab 1930. 1934 war der Vranov-Stausee fertiggestellt. Auf der Website Vranovská přehrada 90 (Frainer Talsperre 90) 1934-2024 findest du Wissenswertes und Filmdokumente zu seiner Geschichte.
Bereits im Frühjahr 1934 fanden die ersten Rundfahrten mit Ausflugsschiffen statt. Größtes Schiff war, mit einer Kapazität von 250 Passagieren, die Moskva. Mit der politischen Abwendung von Moskau ging 1992 die Moskva außer Betrieb. Ihre Nachfolgerin ist die Poseidon, die nur 200 Passagiere aufnimmt, dafür, dank einer Heizung, ganzjährig auf Kreuzfahrt gehen kann.
Der Vranov-Stausee bietet dir eine Gelegenheit, neben Donau und Neusiedlersee, im Wiener Umland auf großen Ausflugsschiffen zu tuckern. Die Zweistunden-Tour, an der Burgruine Cornštejn (Zornstein) vorbei, bis zum Blick auf Burg Bítov und zurück ist perfekt, um einmal am Wasser zu chillen, Wälder und Felswände an sich vorbeiziehen zu lassen, Sommerfrischlern und Bootsfahrern zuzuwinken – und einfach mit der Seele zu baumeln.
Burg Bítov (Vöttau) kann nicht nur vom Wasser aus bewundert werden (ab diesem Punkt kehrt das Schiff zur Anlegestelle bei der Staumauer zurück), sondern ist auch zu besichtigen. Der Ort Bítov, der in den Wellen des Stausees verschwand und andernorts einförmig wiederaufgebaut wurde, gehört zum Kreis Znaim (Znojmo). Wie Vranov nad Dyjí (Frain an der Thaya), am Ostende des Vranov-Stausees, das wir dir in Barockschloss Vranov: Märchenschloss auf hohem Felsen vorgestellt haben.
Die Kreisstadt haben wir dir in Znaim – Königsstadt hoch über der Thaya präsentiert. Vor der Entscheidung, ob du Burg Bítov besichtigen möchtest, solltest du wissen, worauf du dich einlässt. Spannend ist es dort zweifellos. Aufgrund der schillernden Persönlichkeit ihres letzten Besitzers Georg Hass Junior wurde es aber auch ein skurriler und morbider Ort.
Die erste Burg, an der Stelle der Mündung der Schelletau (Želetavka) in die Thaya, wurde vor bald eintausend Jahren, in den 1060er-Jahren, errichtet. Damit ist Bítov vermutlich die älteste Burg des Thayatals. Von 1811-1863 modelten die damaligen Besitzer, die habsburgtreuen Grafen Daun, das Innere (neu-)gotisch um.
Du wirst dich wie im Bühnenbild eines Gespensterschlosses fühlen. Neugotik ist nicht gleich Neugotik: Das neugotische Wiener Rathaus, erst ab 1873 errichtet, ist nicht Kulisse und nicht verspielt. Dort ist alles solide dreidimensional gebaut. Ganz anders als in Bítov. Hier versuchte der Wiener Anton Schüller mit Dekorationsmalereien die Illusion von gotischen Kassettendecken, fein ziseliertem Maßwerk, Nischen, Statuen und Lichtsäulen zu erzeugen. Um so die verklärte gute alte Ritterszeit der Erbauungsjahre der Burg wiederzubeleben. Ganz im Geist der Gouache Heilige Allianz von Heinrich Olivier, auf der der russische Zar, der österreichische Kaiser und der preußische König anachronistisch in Ritterrüstungen dargestellt sind.
Vöttaus Anziehungskraft auf Burgherren mit Spleen erwies sich erneut 1912, als die Familie Haas die Burg erwarb. 1908, nach vielen vergeblichen Bemühungen, war Georg Haas in den Adelsstand erhoben worden. Er kaufte mit seinem neuen, skurrilen Namen Baron Georg Haas von Hasenfels (1841 – 1914) für seinen Sohn Baron Georg Haas von Hasenfels JUNIOR (1876 – 1945) das Anwesen.
Die reichen österreichischen Porzellanfabrikanten mit ihren Betrieben bei Karlsbad hatten 1882 das edle Wiener Warenhaus Haas und Cžjžek, Kärntner Straße 5, errichtet. Haas und Cžjžek war die größte Porzellanfirma der Donaumonarchie, auf Hotelgeschirr spezialisiert und bis 2011 existent. Ein Highlight ihrer Produktion war Zwiebelmuster-Porzellan, heute noch populär und omnipräsent, das damals in Massen produziert wurde. Und selbstverständlich im Esszimmer der Burg zu bewundern.
Haas Junior verwaltete Burg und Ländereien, errichtete einen Privatzoo und beherbergte prominente Gäste wie Karel Čapek. Die Führung der Porzellanfirma wurde ihm von seiner Mutter verweigert. Legendär waren seine vielen Freundinnen und flüchtigen erotischen Begegnungen, über die er in einem sogenannten Maitressen Konto Buch führte und für die er zum Teil materiell sorgte. Sogar in den 1990er-Jahren soll so manche ältere Vöttauerin noch Zuwendungen vom Bankkonto des 1876 geborenen Haas Junior erhalten haben.
Haas’ zweite Vorliebe galt Tieren, vor allem Hunden. Da er nicht von seinen lieben Gefährten lassen konnte, wurden sie präpariert. Weshalb Burg Bítov heute über eine einzigartige, berühmt-berüchtigte Riesensammlung ausgestopfter Hunde verfügt. Angeblich die größte der Welt. Neunundvierzig Präparate an der Zahl. Darunter ein Stallpinscher, wie er in Jaroslav Hašeks antimilitaristischen Schelmenoman Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk vorkommt, der mit Fritz Muliar verfilmt wurde. Noch schräger als die ausgestopften Hunde sind die präparierten Katzen. Sie sind – im satirischen Geist der Mensch-Tier-Travestie – bekleidet und in menschlichen Posen, zum Beispiel mit Kaffeetasse, dargestellt.
Mit dem Präparieren von Tieren hatten schon die Dauns begonnen. Von ihnen stammen jede Menge ausgestopfter Vögel, die du im Rahmen der Führung sehen wirst. Unter anderen der faszinierende kleinste Kolibri, und damit überhaupt der kleinste Vogel der Welt. Georg Haas Junior war Unterstützer der Gründung der Tschechoslowakei und Nazi-Gegner. Als die Rote Armee einmarschierte, wurde ihm das nicht zugute geschrieben.
Haas sollte als “Deutscher” deportiert werden und sah keine Zukunft mehr für sich. Am 11. Mai 1945 wurde Georg Haas erschossen aufgefunden. Das tragische Ende eines meist unbeschwerten Lebens. Die damals geschlagenen Wunden schmerzen bis heute. Jede Grenzüberschreitung, im wahrsten Sinn des Wortes, ist ein Beitrag zu ihrer Heilung.
Der Vranov-Stausee ist ein hervorragendes Ziel für Wiener Tagesausflügler, die sowohl Entspannung am See als auch kulturelle Sehenswürdigkeiten suchen. Auch Aktivsportler kommen hier auf ihre Kosten, sei es beim Schwimmen, Rudern, Radfahren oder Wandern. Die Größe des Sees ermöglicht außerdem den Betrieb von Ausflugsschiffen. Dank seiner Lage nahe der pannonischen Klimazone ist das Wasser des Sees meist wärmer als das anderer Seen im Böhmischen Massiv. Die grünen, felsigen Ufer, die von Bausünden verschont geblieben sind, die Nähe zum Nationalpark Thayatal/Podyjí, sowie das Schloss Vranov und die außergewöhnlich ausgestattete Burg Bítov tragen zusätzlich zur Attraktivität des Sees bei.
Lust auf noch mehr Ausflugstipps gleich hinter der Grenze?
Alle Teile unserer Grenzgänger-Serie findest du hier
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Mehr InformationenEinreise: Personalausweis (oder Pass) mitnehmen.
Tschechische Währung: Tschechische Krone
Anreise mit dem Auto: eindreiviertel Stunden von Wien über den kaum frequentierten Grenzübergang zwischen Langau bei Geras und Šafov.
Parken: Für die Rundfahrtsschiffe am Parkplatz (WR28+CX Vranov nad Dyjí, Tschechien) in der Bítovska- Straße, dann 850 m eben über die Staumauer zur Anlegestelle. Für Burg Bítov am Parkplatz Burg Vöttau (Parkoviště hradu Bítov, WPR6+W5 Bítov, Výdejní místo Bítov, Tschechien), dann 600 m bergab zur Burg.
Burg Bítov (Vöttau): Öffnungszeiten auf der Homepage der Burg. Die klassische Führungstour ist ausreichend. Heldentipp: Rufe vorab an und erfrage, wann die nächsten Führungen starten. Neben den Burgführungen durch die Repräsentationsräume werden für Interessierte zusätzliche Führungen durch das Zeughaus mit Schusswaffen des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie durch ein altes Gefängnis und einen sogenannten Gespensterkeller veranstaltet.
Zur Burgruine Cornštejn (Zornstein) findest du hier die Öffnungszeiten und Kontakt. Von der einst mächtigen, an drei Seiten von der Thaya (Dyje) umflossenen Burg ist wenig erhalten geblieben. Wegen ihrer schönen Ausblicke auf den Vranov-Stausee und die grüne Umgebung erfreut sie sich trotzdem großer Beliebtheit und ist einen Besuch Wert.
Rundfahrten mit Ausflugsschiffen: Schifffahrt Frain (Lodní doprava Vranov) mit genauem Fahrplan, wann die große Rundfahrt (velký vyhlídkový okruh) von zwei Stunden bzw. die kleine Rundfahrt (malý vyhlídkový okruh) von einer Stunde startet. Heldentipp: Ich empfehle dir die große Rundfahrt. Mit ihr kommst du auch zum Blick auf Burg Bítov. Besser bis spätestens am Vortag telefonisch (Vorwahl Tschechien +420) Plätze reservieren. Abfahrtspunkt: Direkt bei der Staumauer, auf google maps eingezeichnet (Lodní doprava Vranov nad Dyjí), etwa zwölf Gehminuten vom Parkplatz (WR28+CX Vranov nad Dyjí, Tschechien) entfernt.
Elektroboote: Elektroboot-Verleih Vöttau (Půjčovna elektrolodí Bítov)
Schwimmen: Verzeichnis der Bäder und Naturbadeplätze des Frainer Stausees, Frainer Strand (Vranovská pláž)
Wassertemperatur: Website Znaimerland / Wetter
Hundeschwimmen: an einigen Orten dürfen Hunde ins Wasser, so in den Buchten Lančovská zátoka (ruhig, einfacher Wasserzugang) und Granátová zátoka.
Camping: Camp Vöttau (Camp Bítov), Frainer Strand (Vranovská pláž)
Wandern: Nationalpark Thayatal / Národní park Podyjí; Clary-Rundweg, rund um das Clary-Kreuz, benannt nach Karl Josef von Clary, einem Wiener Diplomaten; Naturlehrpfad Aussicht Hardegg.
Radfahren: Radweg Burgen und Schlösser an der tschechisch-österreichischen Grenze
Radverleih: E-Bike-Verleih Kormorán
1: Pálava – Tschechiens Zauberberge
2: Oberes Záhorie – eine Wüste im Marchfeld
3: Teschen – die geteilte Stadt
4: Böhmisch Kanada – Grenz-geniale Ausflüge
5: Burgruine Devín – wo Donau und March spektakulär zusammenfließen
6: Zlín – Magie einer utopischen Stadt
7: Brünn – wo Weihnachten daham is
8: Danubiana – Modern Art in grandioser Kulisse
9: Győr: alle Tipps für die Bilderbuch-Stadt am Wasser
10: Ják, Steinamanger, Güns – Zeitreise mit Charme
11: Znaim – Königsstadt über der Thaya
12: Lavendel in Mähren: Lila bis zum Horizont
13: Vranov – das ungewöhnliche Felsenschloss
Die beiden letzten Eigentümerfamilien von Burg Bítov (Vöttau) hatten starke Verbindungen nach Wien. Ihre Wiener Häuser kennst du sicher. Die Familie Daun, Burgbesitzer im neunzehnten Jahrhundert, besaßen eines der schönsten Barockpalais der Stadt. Du kannst es noch heute bewundern: das Palais Daun-Kinsky an der Freyung 4, gegenüber der Schottenkirche.
Die Familie Haas, Burgbesitzer im zwanzigsten Jahrhundert, errichtete 1883 an der Adresse Kärntner Straße 5, nahe dem Stephansplatz, das Warenhaus Haas & Cžjžek. Die Fassade dieses Gebäudes ist bis heute original erhalten. Einmal mehr ein Nachweis, wie eng die Geschichte der grenznahen Gebiete mit der unsrigen verbunden ist und wie groß der Einfluss aufeinander ist.
Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Der erfahrene Kulturjournalist (ehemals Bühne, Wien exklusiv, Stil Ikonen usw.) berichtet bei den Helden der Freizeit über Ausflugsziele rund um Wien, Ausstellungen und vieles mehr.