Die Theatermuseum Ausstellung Showbiz made in Vienna. Die Marischkas nimmt dich mit in eine Zeit als Wien noch wie Hollywood war. Was es da zu sehen gibt? Wir waren vor Ort.
von Martin Kienzl
Romy Schneiders legendäre Sissi-Kostüme, aberwitzige Revueausstattungen, originelle Theater-Souvenirartikel, Erinnerungen an die Zeit als Wiens Unterhaltungsbranche mit Westend und Broadway wetteifern konnte: Das und noch mehr erlebt man noch bis 9. September 2024, wenn man im Barockpalais Lobkowitz bei der Albertina die aktuelle Ausstellung über die Theaterdynastie der Marischkas besucht.
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Begonnen hat alles mit Hubert Marischka (1882 – 1959, Wien). Mit ihm startet die Ausstellung Showbiz made in Vienna. Die Marischkas im Theatermuseum. Bühnenfotos zeigen ihn als römischen Gott, in Mädchenkleidern, als Gentleman, verschrobenen Lakai und und. Ein Schauspieler und Komiker, der bezaubernd singen konnte. Wie er Grüß mir mein Wien hinzuschmelzen verstand, ist nach wie vor hier auf youtube in der Gräfin Mariza-Verfilmung von 1932 zu bewundern. Huberts Gesangskünste führten ihn bis an die Wiener Staatsoper, wie ein Plakat der Nacht in Venedig belegt, das ebenfalls zu sehen ist.
In den Goldenen Zwanzigern, den Roaring Twenties, glänzte man in den Metropolen mit Revuen, die einander an Prachtentfaltung überboten. Und Hubert Marischka mischte mit Wiener Kreationen mit. Zum Einsatz kamen irrwitzige Kostüme, bühnengroße Spinnennetze oder Vogelkäfige mit menschlichen Darsteller:innen. Im Theatermuseum sieht man Originalfotos und eine Nachbildung eines der schrägsten Kostüme, dem „spazierenden Stephansdom“!
Von 1923 an war Hubert Marischka Direktor des Theaters an der Wien. In dieser Zeit modernisierte sich die Wiener Operette. Shimmy, Tango, Charleston, Foxtrott, Jazzband wurden geschickt mit Walzer, Marsch, Polka und Wienerlied verbunden. Wer weiß, was aus dem Genre geworden wäre, hätten nicht die Nationalsozialisten diese Entwicklung jäh unterbunden.
Die Erfinder der Romy Schneider-“Sissi“, die Brüder Hubert und Ernst Marischka, wussten, wie sie ein breites Publikum unterhalten konnten. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es eine regelrechte Wiener „Theater-Industrie“. Manager aus New York, London, Paris und Berlin kamen nach Wien um die neuesten, hier produzierten Operetten-Hits von der Lustigen Witwe bis zur Zirkusprinzessin zu finden und nachzuspielen. In der Ausstellung ist ein Plan zu sehen, der sämtliche existierenden und – der größere Teil – nicht mehr existierenden Wiener Theater zeigt. Sieht aus wie ein Plan des Londonder Westends von heute.
Sogar Texte schrieb Hubert Marischka. Unter anderem für die Granichstaedten-Operette “Reklame”. Ein Bühnenbild-Modell dafür wurde für das Theatermuseum nachgebaut: in Signalfarben im Bauhausstil. Wie der Mann das alles – Singen, Theaterleiten, Textdichten, Regieführen, Produzieren – schaffen konnte? Ein Rätsel. Ein Riesenerfolg für Hubert am Theater an der Wien war 1932 die Operette Sissy mit der großen Paula Wessely und der Musik von Fritz Kreisler. Damit wurde die bekannte Story geschaffen, die die Unterhaltungsbranche bis heute bewegt. Erst im Vorjahr kam eine Neuverfilmung von Xaver Schwarzenberger heraus.
Ernst Marischka (1893-1963), jüngerer Bruder von Hubert und erfolgreicher Filmemacher, wollte auf Basis des Stücks von 1932 und mit Kreisler Musik einen Unterhaltungsstreifen drehen. Die Autorenrechte ließen das nicht zu. Ernst gestaltete eine veränderte Handlung ohne Kreislers Musik. Trotzdem wurde er mit Plagiatsvorwürfen bombardiert. In der Ausstellung kann man die gesalzene Korrespondenz darüber nachlesen.
Die drei Kultfilme Sissi (1955), Sissi Die junge Kaiserin (1956) und Sissi Schicksalsjahre einer Kaiserin (1957), die heute zur traditionellen Unterhaltung der Weihnachtsfeiertage gehören, sind mit unzähligen Riesenplakaten, Fotos, Szenenbildern und Kostümskizzen bei der Ausstellung im Theatermuseum repräsentiert. Ein herrliches Kitsch-Bad.
Drei Kostüme, die für Romy Schneider entworfen wurden, lassen die Herzen der Fans höherschlagen. Das Juwel ist das sogenannte Madeira-Kleid. In knallgelb gehalten. Wie der Filmplot unternimmt es nicht den Versuch, dem historischen Vorbild treu zu bleiben. In den 1950er Jahren wollte man sich die Mode der 1850er Jahre so vorstellen.
So formt sich jede Zeit ihr Bild von der Vergangenheit neu. Unsere heutige Sicht ist, ob wir wollen oder nicht, erheblich von den Marischka-Filmen beeinflusst. Die vielen, zum Teil herrlich skurrilen Sissi-Merchandising-Artikel, die man am Ende der Ausstellung auch käuflich erwerben kann, beweisen es: Die Habsburg-Nostalgie, die die Marischkas maßgeblich ausgelöst haben, hält uns bis heute gefangen.
Wer für eine Weile in die nostalgische Traumwelt des „Wiener Hollywood“ eintauchen möchte, Retro-Charme und/oder Theater liebt, kommt hier voll auf seine Rechnung.
Factbox Ausstellung Showbiz Made in Vienna. Die Marischkas
Adresse: Theatermuseum im Palais Lobkowitz, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Täglich außer Di. 10 – 18 Uhr.
Läuft noch bis: 9. September 2024
Preis: siehe Homepage
Anreise: U1, U4 Karlsplatz, Tram 1, 2, 62 71, D Oper/Karlsplatz, Badner Bahn Oper
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Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Der erfahrene Kulturjournalist (ehemals Bühne, Wien exklusiv, Stil Ikonen usw.) berichtet bei den Helden der Freizeit über Ausflugsziele rund um Wien, Ausstellungen und vieles mehr.