Im Brettspiel Mille Fiori matcht ihr euch als Glashersteller. Gelingt der Spagat aus Kenner-und Familienspiel? Wir haben es für euch getestet. In unserem Review mit Video erklären wir euch die Regeln, was das Brettspiel ausmacht und haben einen Tipp, wie ihr eine kleine Balanceschwäche des Spiels ausmerzen könnt.
von Christoph König
15. Jänner 2022: Mille Fiori ist ein Spiel, in dem etwas anderes drinsteckt, als man auf den ersten Blick vermutet. Wie der Name schon sagt, geht es um die berühmte Glasherstellung in der Lagune von Venedig. Das wird durch die schöne, historisch angehauchte Optik mit dem Cover, dem Spielfeld und den bunten, durchsichtigen Plättchen auch perfekt transportiert. Darunter verbirgt sich aber eine kurzweilige Punktejagd – ähnlich dem Prinzip von Roll & Write Spielen – was das Glasthema eher in den Hintergrund drängt. Außerdem ist es weder ein einfaches Familienspiel, noch ein extrem komplexes Kennerspiel. Es versucht einen Spagat gleich auf mehreren Ebenen. Klappt das? Wie funktioniert es genau? Und wem kann man es empfehlen? Alles was ihr im neuen Spiel von Reiner Knizia wissen müsst, erfahrt ihr hier in unserem Test (hier gibt’s übrigens unser Review zum Knizia-Spiel My City).
Erstaunlicher Fakt: Es ist eines von über 800 Spielen, die der fleißigste Brettspiel-Erfinder der Welt schon herausgebracht hat. Lies hier im Interview, was ihn antreibt und warum er noch 100 weitere Entwicklungen in der Schublade hat.
Das Spielprinzip ist simpel. 2 bis 4 Spieler schlüpfen in die Rolle eines Glasherstellers und dürfen durch das Ausspielen von Karten Plättchen auf verschiedenfarbige Bereiche am Spielfeld platzieren oder mit ihrem Schiff fahren. Das bringt ihnen sofort Punkte, die sie auf ihrer Punkteleiste ziehen. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt.
Jeder Spieler wählt zunächst eine Farbe und erhält davon die entsprechenden Plättchen, eine Spielfigur, mit der er die Punkte zählt, und ein Schiff, das er auf die passende Stelle am Spielplan platziert. Der Startspieler erhält die Dogenkarte. Von den restlichen 109 Karten (genauso viele wie es am Feld Plättchen einzusetzen gibt) werden 9 Karten in die freie Auslage gelegt (bei drei Spielern sind es 4) und dann 5 Karten an jeden Spieler ausgeteilt. Die nimmt man verdeckt auf die Hand. Jetzt geht’s los!
Alle Spieler suchen sich eine Karte aus, die sie ausspielen wollen, legen sie verdeckt vor sich ab und geben die restlichen 4 an ihren linken Nachbarn weiter (Drafting). Jetzt spielen sie die Karte nacheinander im Uhrzeigersinn aus, begonnen mit dem Startspieler, legen das Plättchen im entsprechenden Bereich ab oder ziehen mit ihrem Schiff und erhalten Punkte. Haben das alle gemacht, wählen alle Spieler von den verbleibenden 4 Karten wieder eine aus und geben die anderen 3 an den linken Spieler weiter. Das geht solange bis alle nur noch eine Karte haben. Diese kommt in die freie Auslage. Nun wird der nächste Spieler im Uhrzeigersinn Startspieler, alle erhalten wieder 5 Karten und das Ganze beginnt von vorne. Sobald der Nachziehstapel aufgebraucht ist oder ein Spieler seine 27 Plättchen aufgebraucht hat, darf jeder noch seine letzte Karte spielen und das Spiel ist vorbei.
Der Clou des Spiels ist, dass man in den fünf Bereichen des Spielplans (Werkstätten, Häuser, Personen, Handel, Hafen) auf unterschiedliche Arten Punkte erhält. Wie die Punktevergabe auf den Spielbrett-Bereichen bei Mille Fiori genau funktioniert, siehst du in unserem Video:
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Mehr InformationenWie bei Roll & Write-Spielen kann man durch das geschickte Zusammenwirken mit vorher ausgespielten Plättchen immer mehr Punkte hamstern. Im Personen- und Handelsbereich können so sogar Punkte zu anderen Spielern am Tisch wandern. Außerdem lassen sich Kettenreaktionen auslösen. Denn: Für ein durch Plättchen aktiviertes Sternsymbol erhält man eine Extrakarte aus der Auslage, die man sofort spielen muss. Außerdem gibt es in jedem Bereich (außer dem Hafen) ein Rennen um Bonuspunkte. Wer als erstes zumindest ein Plättchen auf allen unterschiedlichen Arten von Rohstoffen/Waren/Symbolen/Zahlen eines Bereichs hat, erhält 20 Extrapunkte, der zweite 15, der dritte 10 und der vierte 5.
Leider haben Schmidt-Spiele und Reiner Knizia für etwas Regel-Chaos gesorgt. In der im Spiel enthaltenen Anleitung heißt es nämlich, man soll nach jeder Runde, wenn alle Spieler fünf Karten erhalten haben, dann noch eine Karte pro Spieler aus dem Nachziehstapel in die Auslage legen. In der aktualisierten Regelanleitung, die auf der Seite des Verlags hier zu finden ist, wurde diese Regel gestrichen. Aus unserer Sicht, aus gutem Grund. Denn in der ursprünglichen Variante landen einfach zu viele Karten in der Auslage, der Nachziehstapel ist rascher aufgebracht und das Spiel endet dadurch früher – was bitter ist, denn gerade die Endphase des Spiels ist besonders spannend. Deshalb ist die neue, aktualisierte Variante mit weniger Karten in der Auslage besser.
Mille Fiori ist ein wunderschön gestaltetes Spiel. Besonders die bunten durchsichtigen Plättchen sind sehr hübsch und erhöhen die Übersichtlichkeit enorm. Das Thema Glasherstellung wird optisch toll transportiert, rückt beim Spielprinzip selbst aber in den Hintergrund. Da geht es ausschließlich ums Punktehamstern, was dem Spiel etwas an Charme nimmt.
Der Schwierigkeitsgrad und die Komplexität von Mille Fiori ist geschickt zwischen Familien- und Kennerspiel angesiedelt. Für Vielspieler ist es für eine schnelle Runde durchaus interessant genug und für Gelegenheitsspieler ein guter Einstieg in den Kennerspiel-Bereich. Wer den Glücksfaktor reduzieren will, kann die Variante spielen, bei der die Karten sofort von der Hand ausgespielt werden. Das Spiel funktioniert zwar auch zu zweit, kann seine volle Stärke aber erst bei 4 Spielern ausspielen. Denn erst dann werden alle Spielfelder ausgenützt und kommen die Bereiche, in denen mehrere Spieler bei einem Zug Punkte erhalten können, voll zur Geltung.
Das Spiel ist insgesamt sehr gut ausbalanciert, mit einer Ausnahme: Die Werkstätten. Dieser Bereich ist gerade bei 2 oder 3 Spielern übermächtig, hier kann ein Spieler mit Konzentration auf diesen Bereich weitaus mehr Punkte einfahren als in den anderen Bereichen. Vor allem, weil sich die Punkte beim Ausspielen einer Pigmentkarte hier sogar verdoppeln. Das lässt sich aber durch eine kleine Regel-Adaptierung lösen: Wer möchte, dass die Werkstätten weniger dominant sind, streicht einfach die Regel, dass Pigmentkarten die Punkte verdoppeln. Das hat bei uns bei einer Spielrunde zu viert sehr gut funktioniert. Die Werkstätten waren dadurch immer noch wichtig, aber nicht mehr übermächtig.
Unterm Strich ist Mille Fiori eine reine Punktejagd im hübschen Kostüm. Das familientaugliche Kennerspiel überzeugt mit einem simplen, motivierenden Spielprinzip und einer wunderbaren Optik und ist besonders für 4 Spieler zu empfehlen. Durch die Kettenreaktionen und Bonuspunkte sorgt es für die Roll&Write-typischen Glückmomente und genug interessante Variablen für Strategen. Die Übermacht der Werkstätten lässt sich bei Bedarf leicht durch eine kleine Adaptierung ausmerzen und kann den guten Gesamteindruck nicht trüben. Tipp! Wenn du Spiele dieser Art magst, wirf unbedingt auch einen Blick auf unseren Test zu Die Zukunft von Camelot.
Name: Mille Fiori
Autor: Reiner Knizia – hier im Interview: “Spiele öffnen Türen zu den Menschen!”
Illustration: Stephan Lorenz, Marina González
Spieler/Alter: 2-4, ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 – 90 Minuten.
Verlag: Schmidt Spiele
Erhältlich: Um knapp 40 Euro
In unserem Spieler-Bereich findest du weitere Tests zu Brettspielen – und auch zu Videospielen. Hier eine Auswahl an Gesellschaftsspielen, die wir ebenfalls empfehlen:
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Fotos und Video: (c) heldenderfreizeit.com
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.