Ab auf die Schulbank mit Persona 3 Reload. Ein auf Hochglanz poliertes Remake des Anime-Rollenspiel-Klassikers soll die Zeit überbrücken, bis uns irgendwann ein ganz neuer Ableger der rundenbasierten Dämonenhatz mit japanischer Highschool-Kulisse beglückt. Besonders für Newcomer könnte die Neuauflage aber mehr als Lückenfüller sein – mehr dazu in unserem Persona 3 Reload Test.
von Klaus Kainz
Persona 3 Reload ist ab 2. Februar für PC, PS4, PS5, Xbox Series, Xbox One und PC erhältlich (hier auf Amazon bestellbar*). Wir durften für unseren Test vorab Hand an den Controller legen und können euch jetzt schon verraten, ob der Neuaufguss gelungen ist.
Dank des Riesenerfolgs von Persona 5 auf der Playstation 4 ist die japanische RPG-Serie inzwischen auch Zockern im Mainstream ein Begriff. Zuvor zählte Persona eher noch als Geheimtipp. Ein erster Kritikerliebling war der 2006 auf der PS2 erschienene dritte Ableger, der mit Persona 3 Reload nun eine Frischzellenkur verpasst bekommt. Obwohl sich das Remake relativ originalgetreu zeigt, ist es aber alles andere als altbacken (hier übrigens noch 10 tolle Remakes , die wir dir empfehlen).
Euer erster Tag als Austauschschüler hätte wahrlich besser laufen können. Auf dem Weg ins Schülerheim stolpert ihr zufällig in eine dämonische Stunde, die insgeheim jede Mitternacht stattfindet. Während Monster wüten, befinden sich Menschen in Särgen und bekommen nichts vom schaurigen Schauspiel mit. Gleichzeitig erwacht auf dem Schulgelände nächtlich ein verschrobener Riesenturm namens Tartarus, in dem besonders fiese Monster hausen.
Zufälligerweise besitzen eure WG-Kollegen allesamt die Fähigkeit, bewusst in diese Schauerstunde einzudringen und mithilfe von Personas – Dämonen, die per Kopfschuss aktiviert werden – andere Monster zu vermöbeln. Die Mysterien im Tartarus mit euren Kameraden aufzudecken, ist dringend nötig. Denn der Tartarus sorgt unbewusst für Unmut in der echten Welt. Aber leichter gesagt als getan. Der teuflische Turm ist nicht nur schier endlos lang und voll mit fiesen Ungeheuern. Gleichzeitig müsst ihr euch auch realen Dämonen stellen – im Schulalltag.
Zwölf Monate habt ihr Zeit, den Tartarus zu bezwingen und dabei Dämonengemetzel mit Schulleben zu jonglieren. Im gigantischen Turm, der aus zufallsgenerierten Etagen besteht, spielt sich Persona 3 Reload erst wie ein klassischer Dungeon-Crawler. Auf jeder Ebene gilt es Schätze und rundenbasierte Kämpfe abzugrasen. Im Kampfsystem legt Persona dabei besonderes Augenmerk auf Elemente. Wird beispielsweise die Feuerschwäche eines Gegners korrekt getroffen, bekommt der Spieler einen Extrazug. Aber Vorsicht: Feinde erhalten denselben Vorteil, wenn sie die elementaren Schwächen des Spielers richtig nutzen. Das kann durchaus ins Grübeln bringen, auch wenn der Schwierigkeitsgrad über die längste Zeit nie zu krass wird.
Im Gegensatz zu anderen Japan-RPGs könnt ihr dabei nicht nur unterschiedliche Party-Mitglieder auswählen, sondern euren Hauptcharakter auch mit unterschiedlichen Personas ausstatten. Das sind Dämonen, die im Dungeon gesammelt werden. Klingt wie Pokemon, aber die Monster sind nicht zum Liebhaben da. Stattdessen sollten diese ab einem gewissen Zeitpunkt zu neuen Kreaturen fusioniert werden, die die besten Eigenschaften und Stats der Vorgänger erben.
So weit, so gut, aber bei Persona findet das eigentliche Rollenspiel außerhalb statt. Pro Tag habt ihr zweimal die Möglichkeit, eine Aktivität für den Protagonisten zu wählen, die seinen Charakter formen. Also lieber doch nicht den Dungeon erkunden, sondern für die große Schulprüfung büffeln? Am Feiertag Geld verdienen oder doch lieber zocken? Im Unterricht pennen oder fleißig beim Sport mitmachen? Ach, und der Garten gehört auch noch gepflegt. Persona 3 überschüttet Spieler geradezu mit Möglichkeiten – aber das ist der Punkt. Ihr müsst eure Prioritäten selbst festlegen.
Zwar findet der Alltag überwiegend über Menübefehle statt, zwischen denen gelegentlich ein wenig Gelaufe möglich ist. Trotzdem erzeugt die Entscheidungsvielfalt schnell Suchtpotenzial. Zumal eure Entscheidungen Einfluss auf die Erkundung im Tartarus haben. Jede neue Freundschaft stärkt beispielsweise eine bestimmte Art Persona. Bringt ihr wiederum Zeit für Internetrecherche auf, könntet ihr praktische Items für den Kampf in bestimmten Läden entdecken. Dabei versucht Persona 3 immer wieder mit neuen Aktivitäten oder Quests bei der Stange zu halten, die sich über den Jahresverlauf eröffnen, oder wenn ihr drei Sozial-Skills – Intellekt, Charm, Mut – im Alltag gut genug aufgepowert habt.
Für eine virtuelle Schule büffeln klingt langatmig? Mitnichten. Allein die stylische Präsentation, für die Persona inzwischen berüchtigt ist, verleiht dem Spielablauf enormen Pepp. Persona 3 war schon auf der Playstation 2 ein poppiges Game. Trotzdem schafft es Reload mit scheinbar wenigen Mitteln, noch viel mehr audiovisuelle Dynamik herauszuholen. Die pummeligen Charaktermodelle von damals weichen einem wundervoll glatten Cel Shading, das Charaktere wie aus einem Anime wirken lässt.
Darüber hinaus wurde an jeder Ecke geschliffen, um ein stimmiges Ganzes zu kreieren. Bei jedem noch so kleinen Menü-Element, sogar in jeder kurzen Ladezeit, wurde auf eine prägnante Farbkomposition geachtet, die sowohl heraussticht als auch mit dem Gesamtbild harmoniert. Zudem wurden neue Anime-Zwischensequenzen und -Porträts gezeichnet, die an passenden Stellen eingestreut wurden.
Definitiv nicht zu vergessen sei der Sound. Dank gemütlichem J-Pop bekommt sogar der Schulalltag ein ungewohnt wohliges Feeling. Während lockerer Jazz mit ein bisschen Rap vor der Geräuschkulisse der Straße perfekt die Vibes eines gemütlichen Abends in der Stadt einfängt – oder zumindest so, wie man sich an ihnidealisiert erinnern möchte. Während die Kämpfe mit flotterem Gesang und einem Touch Rock auffahren, um die Stimmung anzuheizen. Sämtliche Lieder wurden in Reload neu eingesungen und ein paar neue Tracks gibt es auch, die das alte Niveau locker halten können.
Aber Reload ist keine rein audio-visuelle Neuauflage. Träge Dialoge oder Kampfabschnitte können nun vorgespult werden, in den Menüs ist es per Knopfdruck möglich, direkt auf den effektivsten Zauber zu wechseln – aber keine Sorge, die Schwachpunkte der Dämonen müsst ihr zuerst trotzdem noch selbst herausfinden. Außerdem wurden Online-Statistiken hinzugefügt – wir konnten diese vor Launch aber noch nicht unter die Lupe nehmen.
Persona 3 bleibt weiter ein langes Game. Es dauert mindestens ein Stündchen, bis alle Grundlagen geklärt sind. Und selbst nach Dutzenden Stunden dürften die meisten Zocker noch nicht alle Party-Mitglieder und Mechaniken freigeschaltet haben. Generell klingt das ja gut, immerhin bekommt man etwas für sein Geld geboten. Bis zu 80 Stunden könnten für wenig erfahrene Spieler durchaus drin sein.
Doch bei all der Energie, die Persona 3 Reload versprüht, ist der Alltag manchmal zäh. Die Hauptgeschichte schreitet nämlich immer nur nach Vollmond voran. Wer davor den Tartarus schon bis zum jeweiligen Maximum erkundet hat, oder alle Aktivitäten des Monats ausgereizt, muss sich ein wenig bis zum nächsten Story-Klimax durchschleppen. Während die Nebengeschichten selten so spannend sind wie das große Mysterium der Hauptgeschichte.
Uns hätte für das Remake ein wenig Straffung deswegen nicht gestört. Wären die Semester kürzer, wären die eigenen Entscheidungen auch gewichtiger und würden zu Replays mit neuen Builds einladen. Erst 2023 wurde die Originalversion von Persona 3 als HD-Port neu aufgesetzt. Wer sich das Game also erst kürzlich gegönnt hat, bekommt wenig Gründe, noch einmal 50 bis 80 Stunden zu investieren.
Wer Persona 3 gar nicht kennt, sollte Reload definitiv nicht als altbacken abtun. Denn das Remake wirkt keinen Deut älter als Persona 5 – zeitloses Gameplay und grafischer Feinschliff sei Dank. Auch für Newcomer, die auf der Suche nach einem etwas anderen Rollenspiel-Erlebnis sind, ist Persona 3 Reload ein guter Einstieg. Allerdings sollte auf jeden Fall ein Faible für Anime & Co. vorhanden sein, andernfalls ziehen sich manche Abschnitte gelegentlich. Wer erst die kürzlich veröffentlichte HD-Version vom alten Persona 3 gespielt hat, wird hier wiederum wenige Kaufgründe finden – dafür ist Reload, trotz seinem Glanz, zu ähnlich zum Original.
Was der Februar noch für Game-Highlights bringt, siehst du hier in unserer Monatsübersicht.
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