Das märchenhafte Liechtenstein Schloss Lednice (Eisgrub) in Tschechien war jahrhundertelang die Sommerresidenz der Fürsten. Sein Zwillingsschloss Valtice (Feldsberg) diente, gemeinsam mit Wien, als ganzjährig bewohnter Liechtenstein-Stammsitz. Ein Riesenpark verbindet die beiden Schlösser. Die heutige UNESCO Welterbe Kulturlandschaft Lednice-Valtice. Ein Arkadien voller romantischer Ecken. Der Garten Europas, wie der Park gerne tituliert wird, gilt als die größte künstlerisch gestaltete Landschaft Europas. Geprägt durch markante Fantasiebauten. Mit ihnen erschufen sich die Liechtensteiner die Illusion von islamischem Orient mit einem Minarett, von der griechischen Antike mit einem Apollotempel, von einer Tropfsteinhöhle mit einer künstlichen Grotte und vom deutschen Mittelalter mit einer Burgruine.
Das Liechtenstein Zwillingsschloss Valtice und seinen Parkbereich habe ich dir bereits in in Teil 15 meiner Serie “Grenzgänger” vorgestellt. Im 16. Teil zeige ich dir Lednice samt seinem Parkteil. Für Ostösterreicher über viele Generationen ein klassisches Erholungsgebiet, das es wiederzuentdecken gilt. Von Wien aus ist Lednice bequem in den Kombinationen Bahn/Auto & Rad (besonders empfehlenswert), Auto & Spazieren/Wandern bzw. Bahn & Wandern zu erkunden. Die Besichtigung der gesamten Liechtenstein Kulturlandschaft nimmt mehrere Ausflugstage in Anspruch. Wenn du in der Nähe wohnst, hast du jederzeit die Gelegenheit, zurückzukehren und neue Dinge zu entdecken. Wie immer erhältst du von uns Insidertipps, kulinarische Empfehlungen und eine praktische Karte zur Orientierung. In einem kurzen Video auf Instagram und auf TikTok kannst du dir einen ersten Eindruck und Überblick verschaffen.
von Martin Kienzl
Du kennst wahrscheinlich das Phänomen: Menschen mit viel Geld fragen sich oft, wie sie ihre Umwelt mit ihrem Reichtum beeindrucken könnten. Heute versucht beispielsweise die Wochenendbeilage der Financial Times mit dem versnobten Titel How To Spend It Antworten zu geben. Mit Empfehlungen für kostspielige Uhren, monströse Luxusyachten oder unerschwingliche Autos, die Geschwindigkeiten erreichen, mit denen man auf keiner Straße fahren darf.
Ein ähnliches Phänomen ließ sich einst bei einigen Adeligen beobachten. Die Liechtensteiner investierten ihr Geld jedoch nachhaltiger und forderten dies von ihren Vertretern ein, um auch zukünftige Generationen zu erfreuen. Wer wäre nicht fasziniert, in einem Schlosspark künstliche Teiche und Kanäle zu bewundern, die in Größe und Pracht natürlichen Seen und Flüssen in nichts nachstehen? Oder ein Schloss, das stilistisch an Windsor Castle erinnert? Wie reizvoll wäre es, ein Minarett zu sehen, das zur Zeit seiner Erbauung das höchste in einem nichtislamischen Land war? Und wer würde nicht einen Wintergarten bestaunen, der in seiner Größe unübertroffen ist? Oder wie aufregend wäre es, ein Gebäude wie das Grenzschlössl zu errichten, das zur einen Hälfte in einem und zur anderen Hälfte in einem anderen Land steht?
Die Parkanlage von Lednice und Valtice, wie sie sich heute präsentiert, ist ein Kind ihrer Zeit, des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Ein spätes, aber umso eindrucksvolleres Paradebeispiel für den damals beliebten Englischen Landschaftsgarten. Der größte seiner Art! Es war die Zeit Goethes, der in der Natur ein Vorbild für die Kunst sah, und Beethovens, der im Freien Inspiration und Erholung suchte. Die Landschaft wurde als Kunstraum im modernen, bis heutige gültigen Sinn erschlossen. Goethe ging das zum Teil zu weit. Er betrachtete Parkbauten wie in Lednice als Kitsch. Dennoch hielt dies Generationen von Besuchern nicht davon ab, sich von ihrer poetischen Anziehungskraft verzaubern zu lassen.
Warum Eisgrub (Lednice) so heißt, ist unerklärlich. Der tschechische Name Lednice bedeutet ebenfalls Eisgrube, ja noch schlimmer, im modernen Sprachgebrauch steht Lednice für Kühlschrank. Da Lednice in der pannonischen Klimazone liegt, sind die Temperaturen im Hochsommer alles andere als frisch. Von Kühlschranktemperaturen kannst du dann nur träumen. Heute ist Lednice auch ein kleiner Kurort samt Kolonnade und Aussichtsturm (Vyhlídková věž Lednická kolonáda).
Ferdinand Raimund, Star-Dramatiker des Wiener Biedermeiers, setzte den sprechenden Ortsnamen Eisgrub in seinem Der Bauer als Millionär ein. Die Figur des Hohen Alters kommt zum Titelhelden und sagt ihm seinen nahen Tod voraus (2. Akt, 8. Szene). Seine Frage, woher das Hohe Alter kommt, beantwortet dieses mit: Aus Eisgrub! Als Raimunds Stück 1826 in Wien uraufgeführt wurde, ging der Autor offensichtlich davon aus, dass die Zuschauer mit dem Begriff Eisgrub vertraut waren. Heute ist das jedoch nach der jahrzehntelangen brutalen Teilung Europas zwischen Lednice und Wien nicht mehr anzunehmen.
Im Jahr 1838 stellte der Geograph Adolf Schmidl in seinem Führer Wien’s Umgebungen die Schlösser Lednice und Valtice (siehe Seite 365) vor. Zitat: Wer hat nicht von Eisgrub und Feldsberg gehört? Diesem paradiesischen Sitze einer der ältesten, mächtigsten deutschen Dynastien, der Liechtensteins!? Wo sind die Liechtenstein Zwillingsschlösser Lednice (Eisgrub) und Valtice (Feldsberg) heute, bei wesentlich schnellerer Erreichbarkeit, unter dem Stichwort Wien Umgebungen aufgeführt? Nur bei den Helden der Freizeit.
300 bis 700 Menschen waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts sechs Jahre lang im Einsatz, um vor allem den Schlossteich und die Schloss-Thaya auszuheben. Damit war die Hochwasser-Gefahr gebannt. Neben dem rein praktischen Nutzen war es die Besinnung auf die Familiengeschichte, die Fürst Johann I. von Liechtenstein zu dem Projekt antrieb. Aus diesem Grund kaufte er 1808 die Stammburg Liechtenstein bei Mödling zurück. Den von ihm in der Nähe errichteten Husarentempel haben wir für dich in einer Rundwanderung erkundet.
Und aus demselben Grund ließ er auch im Park der Zwillingsschlösser verschiedene Bauwerke errichten. Auf der Reistenkolonnade bei Valtice stellte Johann I. Vater und Brüder in altrömischer Toga dar, um zu zeigen, dass das Geschlecht seine Ursprünge in der Antike hätte. Der Bau der künstlichen Ruine der Hansenburg (Janův hrad) bei Lednice diente dazu, zu zeigen, dass die Liechtensteiner bereits im 14. Jahrhundert in der Region ansässig waren.
Von all dem sollte auch die Öffentlichkeit erfahren. Im Gegensatz zu den abgeschotteten Luxusanwesen heutiger Milliardäre und Oligarchen. Die Gebiete waren von Beginn an, mit kleinen Ausnahmen, frei zugänglich. Ihre Popularität brachte ihnen beim Volk ehrenvolle Beinamen ein: Unterösterreichische Schweiz für die Gegend bei Mödling, Garten Europas für den Park von Lednice-Valtice.
Für uns Nachgeborene ist es kaum vorstellbar, dass diese idyllischen Landschaften in einer Zeit des Krieges entstanden sind. Mehrmals mussten die Österreicher katastrophale Niederlagen gegen Napoleon einstecken. 1805 bei Austerlitz (tschechisch Slavkov) nahe Brünn, 1809 bei Aspern (Wien-Donaustadt) und am Wagram im Weinviertel. Und jedes Mal waren die Liechtensteiner in Spitzenfunktionen daran beteiligt. Fürst Johann I. war in der Dreikaiserschlacht 1805 General der Kavallerie und 1809 bereits Oberbefehlshaber derselben. Rundum ein Morden und Verwüsten – und inmitten all dessen wird ein Idyll errichtet, der größte Park Europas mit Scheintempeln und Lustbauten.
Schloss Lednice (Eisgrub) war der Sommersitz der Liechtensteiner. Das Schloss, wie wir es heute kennen, wurde 1846 bis 1858 komplett umgebaut. Der Londoner Architekt Peter Hubert Desvignes gestaltete es, wie Windsor Castle, altenglisch. Dieser Stil der Neu-Tudorgotik kam ab den 1830er Jahren in Mode und wurde von den Royals begeistert aufgenommen. Wenn du Schloss Lednice mit dem ebenfalls neugotischen Wiener Rathaus vergleichst, werden dir deutliche Unterschiede auffallen. In Wien orientierte man sich an der niederländischen Gotik, baute wesentlich später (1872-1883) und strenger. In Lednice wirkt alles herzerfrischend verspielt, ohne dabei nach Disney Style auszusehen.
Die Pfarrkirche wurde damals in den Schlosskomplex eingebunden. Und das Schlossinnere großteils von Wiener Meisterbetrieben umgestaltet. Leistler zeichnete für die reich geschnitzte Holzausstattung verantwortlich. So wie beim zeitgleich stattfindenden Umbau des besuchenswerten, prachtvollen Stadtpalais Liechtenstein hinter dem Wiener Burgtheater. Ebenfalls in Wien und Lednice war Thonet für die Möblierung zuständig.
Am 5. Oktober 1858 wurde die Umgestaltung des Schlosses mit der Weihung der neugotisch adaptierten, ursprünglich barocken Schlosskirche abgeschlossen. Tragischerweise verstarb der Bauherr, Fürst Alois II. von Liechtenstein, bereits fünf Wochen später, am 12. November.
Zu Beginn der Führung durch die Repräsentationsräume wirst du in die Eingangshalle geführt. Wow-Effekt eins: eine seitlich nicht abgestützte Treppe, bei der man sich fragt, wie technisch raffiniert hier wohl gearbeitet wurde. Wow-Efffekt zwei: Drei prächtige Kronleuchter, aufgereiht an einer Lampenstange, mit 116 Glühbirnen und 690 Kilogramm Gewicht, hängen majestätisch 15 Meter herab. Vermutlich wurden sie vom Wiener Metallgestalter David Hollenbach gefertigt. Wien galt damals als allererste Adresse für das Bronze- und Messing-Kunstgewerbe. Insgesamt gibt es im Schloss 18 Messingleuchter.
An der Wand sind drei Porträts von Fürsten von Liechtenstein zu sehen. Sie gehören zu den wenigen, die hier verblieben sind. Der große Rest wurde nach dem Zweiten Weltkrieg weggeführt und wird heute in den Liechtenstein Collections in Wien gezeigt. Überall ist abzulesen, dass die Liechtensteiner ein Faible für die zur Errichtungszeit längst vergangene gute alte Ritterszeit und die Jagd hatten.
In der Bibliothek schraubt sich eine unglaublich filigran geschnitzte Holzwendeltreppe zur Decke. Das bis heute bestaunte Meisterstück aus der Wiener Werkstatt von Karl Leistler. Selbsttragend und aus Eichenholz.
Aus Nussholz ist die Kassettendecke des Türkisen Gesellschaftssaals gefertigt. Durch die Messinggitter in den Ecken wird aus dem Heizungskeller warme Luft in den Raum geleitet. Das 1844 installierte Heizungssystem wird dir im Rahmen der Grotten-Führung gezeigt. Bei aller Mittelalter-Nostalgie wollten die Liechtensteiner nicht auf modernsten Wohnkomfort verzichten. Der Rote Rauchsalon ist räumlich direkt mit dem Palmenhaus verbunden, das damit zum größten Wintergarten der Welt wird.
Der letzte Raum der Tour, der Blaue Musiksalon auch Neugotischer Tanzsaal genannt, beeindruckt mit seiner Lindenholzdecke. Sie besticht durch ihre sich nie wiederholenden Kassettenmuster und gilt als eine der prächtigsten und teuersten neugotischen Decken Europas.
Wie auf den meisten tschechischen Schlössern, so gibt es auch auf Lednice die Möglichkeit, die Privaträume der einstigen Besitzer zu besichtigen. Beim Gang durch die sogenannten Fürstenzimmer könnte sich in manchem das Gefühl entwickeln, sich übergriffig zu verhalten. Eine Führung führt auch durch die ehemaligen Kinderzimmer, die ebenfalls bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg bewohnt wurden.
Im Untergeschoss des Schlosses befindet sich eine faszinierende Skurrilität: eine künstliche Tropfsteinhöhle, die sogenannte Grotte. Ein Überbleibsel des Barockschlosses, das ansonsten der Neo-Tudorgotik zu weichen hatte. Die Grotte kann samt ihren technischen Ausstattungen in einer eigenen Führung besichtigt werden. 50 Meter schlängelt sie sich in einer Breite von eineinhalb bis zwei Metern im Souterrain entlang der Schlossfassade. Die aus dem 17. Jahrhundert stammende Anlage wurde sichtlich von der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Grotta di Buontalenti der Medici in Florenz inspiriert. Mit dem Unterschied, dass hier in Lednice auf Fresken und Statuen verzichtet wurde um noch stärker Natürlichkeit vorzutäuschen.
Baukünstler der barocken Stallungen und Reithalle (Jizdárna), direkt neben dem Schloss, war der große österreichische Bildhauer und Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach. Heute bietet der Marstall Platz für jährlich wechselnde Ausstellungen, die auf der Veranstaltungsseite des Schlosses verzeichnet sind, die Souvenir- und Buchhandlung, sowie die zentrale Schlosskasse, bei der du Karten für die Führungen buchen kannst.
Das Palmenhaus von Lednice (Sklenik, Zahrádka pod palmou), ein Must-see, war zur Zeit seiner Erbauung 1843-47 ein Wunder und ist es bis heute geblieben.
Es wurde 40 Jahre vor dem Schönbrunner Palmenhaus, dem heute größten Europas, errichtet. Zeitgleich mit dem Kew Gardens Palm House (1844-48) in England. Somit sind die beiden ex aequo die ältesten Palmenhäuser der Welt. In der Epoche seiner Entstehungszeit war es auch das größte Glashaus. So lang wie ein Fußballfeld.
Dank seiner direkten räumlichen Verbindung zum Schloss wird das Palmenhaus bis heute als der weltweit größte Wintergarten angesehen. Besonders beeindruckend ist die kunstvolle Eisenkonstruktion mit den Holzlamellen, die fein strukturierte Außenhülle und die bis ins kleinste Detail erhaltene Innenausstattung. Wenn du eine Leidenschaft für Pflanzen und Innendesign hast, wirst du begeistert sein.
Heute legt man großen Wert darauf, die Originalarchitektur des 19. Jahrhunderts zu bewahren, sodass alles noch genauso aussieht wie zu Zeiten von Rudolf von Alt im Jahr 1842.
Vor dem Schloss und Palmenhaus ist noch der Barockgarten, der sogenannte Französische Garten – im Gegensatz zum naturbelasseneren restlichen Englischen Garten – erhalten. Mit sorgfältig geschnittenen Hecken, Blumenbeeten, Statuen und einem schönen Venezianischen Brunnen von etwa 1635 (siehe Foto oben).
Von dort aus führt der Weg hinab in den Englischen Landschaftspark. Hier wird kein Unterschied mehr zwischen Garten und Landschaft gemacht. Ab 1805 wurde unter der Führung des Agraringenieurs Bernhard Petri der Verlauf der Thaya (Dyje) verändert, um die Hochwassergefahr im Park in den Griff zu bekommen. So entstanden der Rosenteich (Růžový rybník) samt Roseninsel (Růžový ostrov), auf der sich ein kleiner Chinesischer Pavillon befindet, der Schlossteich (Zámecký rybník) mit 16 Inseln und die sogenannte Schloss-Thaya (Zámecká Dyje) östlich des Teichs.
An ihr liegt das Maurische Wasserkunstgebäude (Maurská vodárna), das marokkanisches Flair verbreiten soll. Der Ausdruck Kunst bezog sich damals auf die Ingenieurskunst. Gegenüber findest du die Abfahrtsstelle für die Ausflugsschiffe. Wen du etwas weitergehst, erreichst du die Abfahrtsstelle für Kutschen (povoznictvi). Näheres zu den Ausflugsschiffen und Kutschenfahrten findest du im Serviceteil.
Für den Landschaftspark suchte ab 1802 der Niederländer Joseph van der Schot, Leiter des Botanischen Gartens in Wien, geeignete Gewächse. Es war die Zeit der Erforschung der Neuen Welt durch die Europäer, die Zeit von Alexander Humboldt, der van der Schot in seinen Recherchen erwähnt.
Eine Karte des Schlossparks von Lednice, die du überall auch in Papierform kaufen kannst, zeigt dir präzise, wo du die etwa 700 Gehölzarten aus dem Libanon, dem Kaukasus, aus Japan, Kanada und anderen Ländern findest. Sämtliche bemerkenswerten Bäume sind mit einer Nummer versehen. Für die wirtschaftlich denkenden Liechtensteiner wichtig: Die amerikanischen Kiefern und Pappeln, die van der Schot in Übersee fand, brachten als Brennholz hohe Gewinne.
Um das Minarett am anderen Ende des Schlossteichs zu erreichen, rate ich dir, dich am westlichen Ufer zu halten und über die Brücken von einer Insel zur nächsten zu spazieren. Wenn du flotter zum Minartett kommen möchtest, empfehle ich dir, die erwähnte Schiffsverbindung (weitere Informationen dazu findest du am Ende des Beitrags) zu nehmen.
Die Glocken- oder Chinesische Brücke (Zvonkový / Čínský most) führt dich von der Affen- (Opiči) auf die Pfauen-(Paví) Insel, auf der früher ein Chinesischer Pavillon (Čínský pavilon) stand, an den heute nur mehr Gemälde erinnern. Die Affen und Pfauen, die hier früher zu sehen waren, musst du dir ebenfalls in deiner Phantasie vorstellen.
Du passierst dann die Himmel und Hölle Grotte (Jeskyně Nebe a Peklo). Das Steintor zur Hölle wurde so konstruiert, dass es beim Durchschreiten den Eindruck erweckt, als würde es jeden Moment einstürzen und dir Angst einflößen. Vom Aquädukt, der künstlichen Ruine einer römischen Wasserleitung, stürzte früher ein Wasserfall in den Schlossteich.
Das 1798-1802 errichtete Minarett, früher Türkischer Turm genannt, steht am nördlichen Ende des Schlossparks in Sichtachse des Schlosses. Es wird dich, wie jeden Besucher, magisch anziehen. Wer Lednice besucht hat, ohne das Minarett zu besichtigen, hat die wahre Schönheit des Ortes nicht erlebt. Mit einer Höhe von fast 70 Metern galt es lange Zeit als das höchste Minarett in einem nichtislamischen Land sowie als das nördlichste Minarett Europas. Es war nie Teil einer Moschee und wurde ausschließlich dazu genutzt, dem Park einen orientalischen Akzent zu verleihen.
302 Stufen musst du hinaufsteigen, bis du oben bist. Der herrliche Ausblick auf die kunstvoll gestaltete, weiträumige Wasserlandschaft macht alles wieder wett. Die Wiener Historiker Josef Häufler und Josef Feil berichteten 1840 von den Herausforderungen, so nahe am Wasser zu bauen. Tausende Arbeiter waren beschäftigt eine 20 Meter tiefe Grube auszuheben, aus der kontinuierlich das einsickernde Wasser der Thaya abgepumpt werden musste. 500 Piloten aus Erlenholz wurden aufgestellt, um das Fundament zu errichten.
Selbstverständlich wurden bei der reichen Innenausstattung ebenfalls keine Kosten gescheut. Seit 2017 erstrahlen die acht kleinen, orientalisch verzierten Säle des Minaretts in alter Pracht. Josef Geyling, ein akademischer Maler aus Wien, hat sie 1868 in orientalischem Stil ausgestattet. Die Kuppeln sind nach osmanisch-orientalischen Vorbildern ausschließlich mit floralen und geometrischen Mustern dekoriert. Die Böden sind mit venezianischem Terrazzo und kunstvollen Mosaiken verlegt. Ich empfehle dir, dir eine Kombikarte zu gönnen, mit der du sowohl das Minarett besteigen, als auch die zauberhaften Minarettsäle im Zwischenstock besuchen kannst.
Baumeister dieses Wunderwerks war der aus dem nahen Asparn an der Zaya stammende Joseph Hardmuth, Fürstlich Liechtensteinischer Baudirektor und Erfinder des maschinell hergestellten Bleistifts. Dessen Mine lässt sich am besten in Holz des Virgina Wacholders, damals hier neu gepflanzt, einbetten. Koh-i-Noor Hardtmuth Schreibgeräte sind bis heute eine Weltmarke und dir sicher bekannt.
Nördlich des eigentlichen Schlossparks befindet sich die revitalisierte Aulandschaft Hirschpark-Obelisk mit einem Obelisken. Aus Naturschutzgründen kommst du in dieses abgezäunte Revier nicht hinein.
Die kleine Hansenburg (Janův hrad), liebevoll Hanslburg genannt, erreichst du entweder per Schiff über die Alte Thaya (Stará Dyje), mit dem Rad oder nach einem längeren Fußmarsch entlang der grünen Markierung vom Schloss aus in östlicher Richtung. Die Burg wurde einst ebenfalls vom Österreicher Joseph Hardtmuth entworfen und war ein beliebtes Ausflugsziel für Wiener. Sie ist quasi eine kleine Ausgabe der Franzensburg in Laxenburg, die wir dir bereits vorgestellt haben. Die Liechtensteiner wollten mit dieser halb Fake-Burg, halb Fake-Burgruine von 1810 demonstrieren, dass sie hier schon im 14. Jahrhundert ansässig waren. Das Gebäude, das als Jagdhaus genutzt wurde und das du besichtigen kannst, ist entsprechend mit mittelalterlichen Waffen und Antiquitäten ausgestattet.
Die Wiesen und knorrigen, bis zu 400 (!) Jahre alten Eichen an den Ufern der Alten Thaya, die um die Hanslburg eine Schlinge zieht, sind ein perfekter Rastplatz. An Sommerwochenenden tummeln sich hier viele. Buffets sorgen für Stärkung (siehe Speis & Trank).
Auf halbem Weg zwischen Lednice und Valtice liegen direkt nebeneinander die riesigen drei Eisgruber Teiche (Lednické rybníky), die im Mittelalter ausgehoben wurden: der Bischofswarther (Hlohovecký), der Mittereisgruber (Prostřední) und der Mühlen-(Mlýnský) Teich (rybník). Sie sind Teil des Lednice-Teichsystems, einer bedeutenden ornithologischen Region. Zur ihr gehört auch der größte Teich Mährens, der Nesyt (Steindamm-Teich), an dem du von der Beobachtungsstation bei Sedlec aus Vögel bewundern kann. Wie im Waldviertel und in Südböhmen wurden die Teiche für die Fischzucht angelegt. Zusammen haben sie eine Wasserfläche von 250 Hektar, etwa 500 Fußballfeldern. Eine den Liechtensteinern willkommene Spielwiese, um hier mit romantischen Bauten und Neupflanzungen ein Elysium zu schaffen.
Über dem Mühlenteich, auf einer bewaldeten Sanddüne, thront der Apollotempel (Chrám Apollo) von 1819, ein Werk des Wieners Josef Kornhäusel.
Die Exedra, die Nischenöffnung im oberen Teil, die dem Tempel einen eigenen Charakter gibt, erinnert an Bauten von Andrea Palladio. Ein paar Jahrzehnte später hat sich Sisi mit ihrem Achilleion auf Korfu einen ähnlichen pseudo-antiken Traumbau errichten lassen.
Von der Aussichtsplattform siehst du das Minarett, westlich davon sitzt auf einem Hügel das Weingut Beim Kapellerl (Vinařství U Kapličky), das schon nahe zu den Lavendelfeldern liegt, die wir dir ausführlich vorgestellt haben. Die Pollauer Berge, zu denen wir dich ebenfalls geführt haben, sind in ihrer gesamten Nord-Süd-Ausbreitung zu sehen.
Hier wird dir noch einmal eine bemerkenswerte Facette dieses Gartenreichs bewusst: Keiner der Parkbauten des Klassizismus hat einen kulturell christlichen Bezug. Stattdessen wird der Polytheismus der alten Griechen, Römer und Ägypter sowie die Kultur des islamischen Orients gewürdigt.
In der Kulturlandschaft sind zwei Tiny houses des Klassizismus erhalten, die nur von außen zu besichtigen sind. Von der Loggia des Jagdschlössls (Lovecký zámeček) bei der Hansenburg konnten die grausamen Pareforcejagden beobachtet werden. Das putzige Teichschlössl (Rybniční zámeček) sitzt so romantisch über dem Mittereisgruber Teich (Prostřední Rybnik), dass man es liebend gern als Feriendomizil mieten würde.
Ein unscheinbarerer Bunker am Uferweg erinnert an den leider erfolglosen Versuch der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1918-35) unter Präsident Tomáš Garrigue Masaryk, sich vor einer Okkupation durch Nazi-Deutschland zu schützen. Spoiler für Geschichtsinteressierte: Bis heute hält sich das unbelegte Gerücht, dass Masaryk, der in Wien ins Gymnasium und auf die Uni ging, ein unehelicher Sohn Kaiser Franz Josephs gewesen wäre.
Von der Straße zwischen Valtice und Lednice siehst du es schon aus der Ferne am westlichen Ende des Bischofswarther (Hlohovecký) Teichs: das entzückende Grenzschlössl (Hraniční Zámeček) von 1827 mit seiner toskanischen Arkadenloggia. Damals wie heute ein Ort zum Relaxen. Und neuerdings ein Gourmettempel. Der Gag dabei: damals ging die Grenze zwischen Österreich (Rakousko) und Mähren (Morava) mitten durch das Haus, ganz so, wie es auf der Fassade steht: „ZWISCHEN ŒSTERREICH UND MÆHREN“.
Die Erbauer des Grenzschlössls waren sich in den Jahren 1816-27 sicher, dass die Grenze zwischen Österreich und Mähren, im heutigen Tschechien, für immer eine symbolische bleiben würde. So bauten sie das Grenzschlössl so, dass es zur Hälfte auf österreichischem und zur Hälfte auf mährischem Boden stand. Dass die Grenze später an einem anderen Ort verlaufen und von 1950 bis 1989 mit einem Todesstreifen und Stacheldraht gesichert würde, hätten sie sich wohl nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen vorstellen können.
Die historische Grenze ist hinter dem Schloss durch einen Weg und vor diesem durch eine Wasserrinne markiert. Weshalb die heutige Grenze nicht mehr hier verläuft, kannst du am Beginn des “Grenzgänger”-Teils 15, unserem Guide für Valtice nachlesen. Damals wie heute können die wenigsten der von den Erbauern kalkulierten Verführung widerstehen, über die Grenze von Mähren nach Österreich und zurück zu springen. Eines steht fest: Besser als mit den Beiträgen zu den tschechischen Liechtenstein Zwillingsschlössern Lednice und Valtice könnten wir unserem Serien-Namen Grenzgänger nicht gerecht werden.
Lednice war die Sommerresidenz der Fürsten Liechtenstein. Das Schloss, in englischer Neo-Tudorgotik gestaltet, ist das meistbesuchte tschechische Schloss (2024 306.000 Besucher) und eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten nahe Wien. Der dazugehörige Park mit dem Zwillingsschloss Valtice ist der größte Landschaftspark Europas. In ihm findet man eine teils exotische Vegetation und extravagante Scheinbauten, wie einen griechischen Tempel, ein türkisches Minarett, eine europäische Ritterburg. Die heutige UNESCO-Welterbe Kulturlandschaft Lednice-Valtice ist ein Eldorado für Radfahrer, Ausflügler, Kulturtouristen und Weinliebhaber.
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Mehr InformationenHlohovec (Bischofswarth): Restaurant Essens im Grenzschlössl (Hraniční zámeček), Chefkoch Otto Vašák, 16/20 Gault&Millau (2025), ex aequo mit dem Prager La Degustation Bohême Bourgeoise Tschechiens führendes Restaurant; Hotel Château Frontière; Lednice-Valtice Apartment; Hospůdka U Vlčáka; Restaurant Château Petit
Hrušky (Birnbaum): Restaurant/Weinbar/Café Mlýn Hrušky (Mühle Birnbaum) mit einem hervorragenden Angebot an Hauptspeisen, Brettljausen (prkénko), Desserts und Weinen.
Lázeňství Lednice (Kurbad Eisgrub): Spa Resort Lednice, Heilbad (Lázně) Perla
Lednice (Eisgrub): Weinbar & Café Knoll; Café bei der Eisgruber Kolonnade (Kavárna na Kolonádě Lednice), Burgr’s Club mit einem Liechtenstein Burger; Pivovar Lednice (Braugasthof Eisgrub) mit eigener Mikrobrauerei und Mährischer Küche, zB Vorspeise Olmützer Quargel; Restaurant U Tlustych (Bei Tlusty); Weingut & Appartements Eisgrub; Café coffee square; Café Irma; Apollo Autokemp
Velké Pavlovice (Groß Pawlowitz): Restaurant/Hotel Lotrinský (Lothringer)
Zaječí (Saitz): Restaurant/Hotel/Weingut Vinařství U Kapličky (Weingut Beim Kapellerl)
An der Cyklotrasse Lednice-Neuhof (Nový dvůr) Weinbar/Imbiss Vodárna; bei der Hansenburg (Janův Hrad) Café Chateau, Bistro Janohrad, Vinařství Hrozínek – degustační stánek; vor den Katakomben, dem Heizkeller des Palmenhauses, Zahrádka pod palmou (Garten unter Palmen); im Schloss auf der Gartenseite Café Château; vor dem Schloss Pedro’s foodtruck; beim Minarett Imbiss Občerstvení u minaretu (Erfrischungen am Minarett); beim Grenzschlössl (Hraniční zámeček) Bistro Les Vélos
Die schönste und empfehlenswerteste Art, die UNESCO Weltkultur- & -naturerbe Landschaft der Liechtenstein Zwillingsschlösser Valtice und Lednice zu erkunden, ist das Radfahren. So kannst du deren Weite, Reichtum und Natur unmittelbar erleben. Und dank der vielen Parkbauten gibt es ständig Abwechslung. Du fährst von einem Wow-Erlebnis zum nächsten, verbunden mit der Verlockung einer romantischen Rast – siehe Imbissstände im Park im Serviceteil – oder einer kleinen Besichtigung.
Eigenes Rad: Du kannst dein eigenes Rad – neben dem Auto – mit der Bahn bis Břeclav transportieren. Fahrzeiten ab Wien Hauptbahnhof: 54 (EC, RJ) bzw. 89 (REX) Minuten. Heldenhinweis: im EC musst du dein Rad aufhängen.
Leihräder: Radverleih (Půjčovny kol) der Tschechischen Bahn (ČD = České dráhy) im Bahnhof von Břeclav. In Břeclav Radverleih der Stadt Břeclav und Radverleih Friese (Jízdní kola Friese). In Valtice Radverleih Hura na kolo. In Lednice Půjčovna kol Lednice (online Reservierung möglich). In Poysdorf Radwerk W4, mit großem Parkplatz, 13 km bis zur Kolonnade am Reisten bei Valtice.
Radservice/Radgeschäft: CYCLOráj in Valtice
Mit dem Rad vom Bahnhof Břeclav in den Schlosspark: Du fährst vom Bahnhof über die Jan-Palach-Straße, die Thaya querend, vor bis zur modernen Wenzelskirche (Kostel svatého Václava) und schlängelst dich dann über einen Weg, den sogenannten Schlossplatz (Zámecké náměstí) zum Schloss Lundenburg (Zámek Břeclav, in Renovierung) vor. Von dort geht es über die Alte Thaya (Staré Dyje) in den Wald zur Hansenburg (Janův Hrad) im Lednice-Teil des Parks.
Es gibt jede Menge Trassen, bestens ausgeschildert, die du auf Wunsch beliebig kombinieren kannst. Das Gebiet ist von einem Spinnennetz aus Radwegen durchzogen. Allein die Liechtenstein Pfade, die dich zu fast allen Sehenswürdigkeiten führen, sind über 90 Kilometer lang. Sorge verloren zu gehen, brauchst du nicht zu haben. Während der Saison wimmelt es hier nur so vor ortskundigen Radfahrern, die dir sicher weiterhelfen.
Die Lichtenštejnský stezky (Liechtenstein Pfade / Lichtenstein trails) sind bestens ausgeschildert, durch das Kleine Staatswappen des Fürstentums Liechtenstein leicht erkennbar, und führen zu nahezu sämtlichen Parkbauten. Der längste Trail ist der Knížecí (Fürsten)-Pfad (neben dem Fürstenwappen der Fürstenhut über einem Rad-Icon), daneben gibt es den Lednice trail (neben dem Fürstenwappen ein L, siehe Foto) Valtice trail (neben dem Fürstenwappen ein V) , Haban trail (H) usw. Du kannst dir auch eine individuelle Route zusammenzustellen – ganz nach deinen Wünschen, denn es lässt sich bequem von einem Trail auf den anderen wechseln.
Weitere Routen: Im Dreieck durch das Lednice-Valtice-Gebiet-Radroute. Länge 37 km ab und nach Břeclav. Die Liechtenstein-Radroute vom österreichischen Liechtenstein Schloss Wilfersdorf ausgehend und dorthin wieder zurückführend. Und der EuroVelo 13, der Iron Curtain Trail, führt ebenfalls durch den Landschaftspark der Liechtenstein Zwillingsschlösser.
Wenn du einen Tagesausflug nach Lednice planst, sind die Angebote von Schiffs- und Kutschenfahrten sehr praktisch. Denn allein für die Tour zum Minarett einschließlich Besichtigung musst du zu Fuß etwa eineinhalb Stunden einplanen. Für die Hansenburg wird die Exkursion zu Fuß fast zur Halbtages- oder Tagestour. Mit dem Schiff oder der Kutsche bist du flotter.
Wenn du Abwechslung liebst, empfehle ich dir, Spazieren (pěšky = zu Fuß), Schifffahrt (lodí) und/oder Kutschenfahrt (povozem) zu kombinieren.
Karten für die Schifffahrten Lednice (Plavby Lednice) erhältst du direkt bei einer der drei Anlegestellen (Plavební-přístaviště): Unter dem SCHLOSS (Pod zámkem; Zámek=Schloss) gegenüber der Maurischen Wasserkunst (Maurská Vodárna); MINARETT(Minaret; Anlegestelle an der Schloss-Thaya, östlich vom Minarett); HANSENBURG (Janohrad). Du kaufst die Karten dann stets separat für jeweils eine Richtung der Routen Schloss-Minarett bzw. Minarett-Schloss (20 Min. pro Richtung, auf der Schloss-Thaya), Minarett-Hansenburg bzw. Hansenburg-Minarett (40 Min. pro Richtung, auf der Alten Thaya). In der Hauptsaison verkehren die Schiffe im 20-Minuten-Takt. Helden-Hinweis: Beim Kartenkauf um deutschsprachige Erläuterungen während der Fahrt bitten, es sei denn, du sprichst tschechisch.
Kutschenfahrten (Jízdy kočárem) der Kutscherei (Povoznictví) Jiří Švásta gibt es ebenfalls mit zwei Routen, Schloss-Minarett–Schloss (25 Min. pro Richtung) parallel zum Westufer des Schlossteichs (Zámecký rybník) und Schloss-Hansenburg-Schloss (35 Min. pro Richtung).
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Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Der erfahrene Kulturjournalist (ehemals Bühne, Wien exklusiv, Stil Ikonen usw.) berichtet bei den Helden der Freizeit über Ausflugsziele rund um Wien, Ausstellungen und vieles mehr.