Das Obere Záhorie in der Slowakei, im Dreiländereck bei Österreich und Tschechien hat nicht nur Au- und Kiefernwälder, grüne Hügel und Weingärten zu bieten. Hier befindet sich auch das größte Sanddünenfeld im Europäischen Binnenland. Niemand wird glauben, dass deine Fotos von dort bei einem Tagesausflug von Wien gemacht wurden. Ich verrate dir in Teil 2 meiner Serie Grenzgänger, wo du diese verborgenen Plätze und vertraut wirkende, aber unbekannte Sehenswürdigkeiten findest. Wie du dabei unangenehme Begegnungen mit der US AirForce vermeidest. Und selbstverständlich wieder mit kulinarischen Tipps und einer praktischen Karte zur Orientierung am Ende des Berichts.
von Martin Kienzl
Als Wiener ist man in puncto landschaftliche Überraschungen rund um die Hauptstadt verwöhnt wie nirgendwo sonst. Am Lunzer Obersee glaubt man in Norwegen zu sein, in Südmähren in der Toskana. Wenn man nahe Umgebungen sucht, die weniger vertraut sind als Alpen und Hügelland, stößt man auch auf Schätze, die hierzulande weitgehend unbekannt sind. Die Tschechischen Zauberberge in Pálava (wie hier in Teil 1 unserer Serie Grenzgänger nachzulesen) oder die ehemalige Habsburgerstadt Teschen, die sich zwei Länder teilen (siehe hier Teil 3) sind ein Paradebeispiel dafür. In Teil 2 stellen wir dir einen zweiten vor: Eine kleine Wüste mitten in Kontinentaleuropa – im Oberen Záhorie. Am Weg dorthin solltest du dir unbedingt auch die Burgruine Devìn anschauen (siehe Grenzgänger Teil 4) und das landschaftlich unglaublich in Szene gesetzte Danubiana Modern Art Museum (siehe Grenzgänger Teil 8).
Für einen ersten Eindruck – schau dir hier auf Instagram oder hier auf TikTok ein kurzes Video von Martins Ausflug an.
Záhorie, deutsch auch March-Auen, ist Teil des slowakischen Marchfelds (welche Highlights dich auf der Österreichischen Seite erwarten, findest du übrigens hier). Die Slowaken nennen die Region Záhorie, übersetzt Hinter den Bergen, weil sie, vom Landesinneren gesehen, hinter den Karpaten liegt. Eine Landschaft, die eine Entdeckung wert ist.
Das Marchfeld war auf österreichischer und slowakischer Seite der March vor Jahrhunderten eine Steppe mit sandigen Dünen. Ein Teil davon blieb erhalten. Rechts der March das Territorium der Weikendorfer Remise und die Sanddünen bei Oberweiden. Beide sind weitgehend mit Gras zugewachsen. Einen besseren Eindruck davon, wie es ursprünglich hier aussah, bekommst Du links der March. Beim Sandberg am Thebener Kogel und im Sand von Schraneck (Šranecké piesky), besser bekannt als Slowakische Wüste.
Der Sand von Schraneck (Šranecké piesky) liegt an der Straße zwischen Laxarneudorf (Lakšárska Nová Ves) und Blasenstein-Nikolaus (Plavecký Mikuláš). Auf halber Strecke auf der westlichen Straßenseite ist ein kleiner Autoabstellplatz.
Vor der Fahrt musst du dir unbedingt auf der Webseite des Verteidigungsministeriums der Slowakischen Republik anschauen, wann das Gelände nicht betreten werden darf. Dort sind die genauen Zeitperioden angegeben, wann militärische Übungen stattfinden, zu denen der Zutritt untersagt ist. Der Sand von Schraneck liegt im nördlichen Teil (Severná časť ) des Militärbezirks Záhorie, nördlich des Bachs Rudava, der die Grenze der beiden Teile markiert. Auf den Landkarten ist zur Orientierung leicht die Brücke über die Rudava (Lávka cez Rudavu) zu finden.
Sobald Du von der kleinen Parkstelle losmarschierst, stehst du im Wüstensand. So weit das Auge reicht siehst du Dünen, Sandpisten, karge Vegetation und im Hintergrund die unbesiedelten, bewaldeten Hügel der Kleinen Karpaten. Duftende Kiefernwälder verstärken den Eindruck, man hätte hier Mitteleuropa verlassen. Einzig die Ruine der Burg Blasenstein (Plavecký hrad) scheint einem noch sagen zu wollen „Nein, du bist hier nicht in Afrika“.
Nüchterne geographische Fakten wie die, dass die Eurasische Steppe von der chinesischen Mandschurei im Osten bis hierher im Westen reicht, sind mit einem Mal nicht mehr nur Schulbuchwissen.
Armeen haben dieses Gebiet vor langer Zeit für sich entdeckt. Wo kann man sich sonst schon fern von Meeresstränden in Wüstensand bewegen? Erwin Rommel, der das Deutsche Afrikacorps im Zweiten Weltkrieg, befehligte, ließ hier für seinen irrwitzigen Sahara-Feldzug üben. Seit 1999 trainiert hier – die Slowakei ist NATO-Mitglied – die US Air Force. BMW lud zu Offroad-Rallys ein. Aficionados militärhistorischer Fahrzeuge nutzen den exotischen Zauber der Location für das alljährliche Spektakel Sahara Slovakia.
Das Marchfeld gilt als Maria Theresias Herzensheimat. Belege dafür sind die zahlreichen Schlösser der Region, die im Besitz der Habsburger waren. Und die sie zum Marchfelder Schlösserreich machen. 1736 erwarb Franz Stephan von Lothringen, der Mann Maria Theresias, eine Wasserburg in Holitsch (Holíč). Und baute sie zu einem Sommerschloss aus. Es wurde zum Lieblingsschloss von Franz Stephan.
Maria Theresias Mann verkörperte, im Gegensatz zu seiner überzeugt katholischen Frau, das Ideal eines aufgeklärten Regenten des Absolutismus. Hier in der Slowakei konnte er viele seiner Vorstellungen, die damals revolutionär waren, verwirklichen. Neue Ideen aus Wissenschaft, Ökonomie, Kunst und Architektur, die er aus Lothringen mitbrachte, wurden umgesetzt.
Franz Stephan beließ die quadratischen Renaissance-Befestigungen der alten Wasserburg mit ihren inneren trockenen und äußeren wassergefüllten Gräben. Sie sind bis heute der Eyecatcher der Anlage und unterscheiden sie von anderen Marchfeld-Schlössern. In die Mitte wurde ein Barockschloss erbaut, das, den Prinzipien der Aufklärung folgend, architektonisch puristisch gehalten ist. Die Parkanlagen waren im Gegensatz dazu üppig barock. Deren Wiedererrichtung ist nicht geplant.
Wenn Du Schloss Holitsch heute besuchen möchtest, musst du wissen, dass es so aussieht wie Schloss Hof vor 40 Jahren. Beide Schlösser waren vor ihrer Restaurierung stark verwüstet. Eine Schlossführung hat daher den Charakter einer Baustellenführung (entsprechende Schuhe mitnehmen). Das hat seinen eigenen Reiz. Du kommst unter anderen in die Schlosskapelle, das Chinesische Zimmer und in die Kellergänge. Sie haben früher ganze Ortschaften unterirdisch verbunden. Und dienten auch der Aufbewahrung von Lebensmitteln, um sie vor der Bevölkerung zu verbergen.
Bei opulenten Mahlzeiten wurden sie dann verzehrt. Davor ging es zur Jagd. Danach gab es Komödien von Molière und weiteren französischen Zeitgenossen. Mit Witz, Spott und Ironie versprühten sie den Geist der Aufklärung. Mit etwas Fantasie kannst du dir heute noch vorstellen, wie hier unter dem Motto Frühlings-Lust all diesen Vergnügungen gefrönt wurde. Holitschs enge Verbundenheit mit Österreich zeigt sich zum Beispiel darin, dass das heute am schönsten erhaltene Interieur des Schlosses, das Dubsky-Zimmer im Wiener Museum für Angewandte Kunst zu bewundern ist.
Links von der Zufahrtsstraße zum Schloss steht die ehemalige Porzellan- und Fayence-Manufaktur. Eine der nachhaltigen Innovationen Franz Stephans, die der in Nancy geborene aus seiner Heimat mitbrachte. Neben der europaweit größten Zucht von Merino-Schafen, einer Baumwollspinnerei und vielen mehr.
Vor der Manufaktur ist heute ein in der Nähe gefundener Steinkreis aus der Jungsteinzeit, die Holíčske megality, aufgestellt. Im Mittelpunkt: der sechseinhalb Meter hohe Hauptmenhir, umgangssprachlich Hinkelstein. Wenn du ihn genauer betrachtest, wirst du eingravierte Zeichnungen von Axt, Hammer oder Hacke erkennen.
Vom Schloss führten zwei fünf Kilometer lange Alleen zum ehemaligen Hofgestüt Koptschan (Žrebčín Kopčany), einem Geburtstagsgeschenk für Maria Theresia. Ein Abstecher lohnt sich. In den eindrucksvollen Vierkanter von Pferdeställen kannst du frei hineinspazieren. Heute wird dort wieder geritten. Das Schlössel in der Mitte und viele Ställe sind bereits restauriert.
Ebenfalls in Koptschan liegt, gut ausgeschildert, die kleine romanische Kirche St. Margareta von Antiochia. Sie steht allein in der Marchebene. Und strahlt mit ihrer tausendjährigen Geschichte einen eigenen Zauber aus. Um diesen nicht zu stören, musst du etwas vor der Kirche parken. Dann gehst du circa zwölf Minuten zu Fuß über Wiesen. Die Kirche ist die einzige fast vollständig erhaltene des Mährerreichs. Das nordöstliche Niederösterreich gehörte im 9. Jahrhundert dazu. Mehr über diese Epoche kannst du im nahen tschechischen Archeopark Slawische Burgstätte in Mikultschitz erfahren.
Eine Stadt im Záhorie lohnt einen Abstecher: Skalitz (Skalica). Die Hauptkirche Sankt Michael ist außen wie innen Zeugin Jahrhunderte währenden Wohlstands der Weinstadt. Sie dominiert ein idyllisches, dreieckiges Platzensemble. Für das Altarbild leistete man sich das Barockgenie Maulbertsch. Durch schmale Gassen und lauschige Alleen spazierst du hinauf zur romanischen Georgsrotunde. Von ihr hast du einen schönen Blick über die Reste der Stadtmauer auf die Kirchtürme von Skalitz und den Kalvarienberg gegenüber.
Die Stadt verfügt über einen Hafen des Batakanals, über den man ab 2027 mit Booten zur March und weiter nach Österreich fahren wird können. Naschkatzen lieben den weichen Baumkuchen Trdelnik, der hier erfunden wurde.
Die Slowakei ist, wie Polen, sehr katholisch geprägt. In Sassin (Šaštín), ebenfalls einst Besitz von Franz Stephan, wurde eine Barockkirche errichtet, wie sie auch in Österreich stehen könnte. Die restaurierte Basilika Maria von den sieben Schmerzen ist der Schutzpatronin der Slowakei geweiht. Ein Motiv, das jeder von Michelangelos Pièta kennt.
Wenn du original erhaltene Häuserzeilen eines slowakischen Dorfes sehen möchtest, so wirst du in Blasensteinsanktpeter (Plavecký Peter) fündig. Wo auch immer du bei den Erkundungen in dieser Region unterwegs bist, landschaftlich reizvoll ist es überall. Ob in den weiten Marchauen, an den grünen Hängen der Kleinen Karpaten, den Weingärten oder in den endlosen Wäldern hoch aufragender Kiefern, die für das Záhorie charakteristisch sind. Maria Theresia ließ sie pflanzen, um die Felder und Dörfer davor zu schützen, von den Sanddünen verschluckt zu werden. Solltest du das Záhorie als Pilzsammler oder per Rad erkunden, so plane genau und denke an das Stück Sahara. Denn auch wenn man den Sand nur dort so deutlich sieht, so ist er doch häufig zu finden. Und mit dem Rad kannst du schnell im nur leicht überwachsenen Sandboden stecken bleiben. Aber gerade diese Besonderheiten machen den exotischen Reiz des Oberen Záhorie aus.
Im Oberen Záhorie hat sich ein Stück ursprünglicher Landschaft erhalten. Seine Sanddünen sind in Zentraleuropa einzigartig. Eine tolle Fotolocation. Die Habsburger haben hier Bauten hinterlassen, die für Österreicher noch zu entdecken sind.
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Mehr InformationenEinreise: Personalausweis (oder Pass) mitnehmen.
Slowakische Währung: Euro
Auto: von Wien über A5 und die Marchbrücke Hohenau in etwa 85 Minuten. Für die Anreise in das Obere Záhorie benötigt man keine mautpflichtige Straße. Ansonsten kannst du die digitale slowakische Vignette leicht über diesen offiziellen Anbieter online erwerben.
Beste Zeit für deinen Ausflug: Ein österreichischer Feiertag, der nicht mit einem slowakischen zusammenfällt – z. B. Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt, Nationalfeiertag. Du lässt dann den touristischen Trubel in Österreich hinter dir, kannst den Feiertag in der Slowakei in Ruhe genießen und die slowakische Mittagsmenü-Ermäßigungen nutzen. Aber auch sonst ist das Obere Záhorie nicht überlaufen.
Schloss Holitsch/Holíč: Vergewissere dich vorher, ob eine Führung stattfindet, oder vereinbare sie im Voraus. Vor Ort werden Führungen erst ab einer Teilnehmerzahl von fünf Personen angeboten.
Essenslokale Holitsch: Koliba u Deda, Holitscher Gasthausbrauerei Wywar Essenslokale Skalitz: Restaurant u Radnice, Reštaurácia U Hnátú – Budvarka, Restaurant Srdiecko Café-Konditorei Skalitz: Kaviareň Pod Lampou Essenslokale in der Nähe des Sands von Schraneck: Restaurant Šandorf, Restaurant im Penati Golf Resort (unter Top 100 Europa bei „Top100golfcourses“ 2023)
Essenslokale in der weiteren Umgebung, in Stampfen (Stupava): Restaurant Biofarma Priroda mit Tiergehegen und in Malatzka (Malacky): Restaurant Hotel Spark
Weingüter mit Direktverkaufsstellen: Weingut Habsburg, Vino-Masaryk
Verkauf des Baumkuchens Trdelnik: Skalický trdelník – Trdlotéka Skalica, Potočná 199/21, Skalica
Übrigens: Fantastische Trdelnik vom Holzkohle-Grillspieß kriegst du auch bei einem Weihnachtsausflug ins schöne Brünn – schau dir hier unseren Brünn-Guide an.
Schlusspointe: Die im Záhorie gesprochene regionale Variante des Slowakischen, die Záhorčina, ist dem benachbarten Tschechisch ähnlich. Viele Slowaken machen sich darüber lustig. Als Zielscheibe von Witzen teilen die Záhorier ihr Schicksal mit Burgenländern und Ostfriesen.
Hier findest du Martins weitere Grenzgänger-Ausflugstipps.
Alle Fotos: (c) heldenderfreizeit.com
Der erfahrene Kulturjournalist (ehemals Bühne, Wien exklusiv, Stil Ikonen usw.) berichtet bei den Helden der Freizeit über Ausflugsziele rund um Wien, Ausstellungen und vieles mehr.