Halloween ist die perfekte Zeit für Horror-Games. Das dachten wohl auch die Max Payne-Macher Remedy Studios, die rechtzeitig zur Grusel-Saison ihren Horrorhelden Alan Wake aus der Versenkung holten. Zwar ist die Konkurrenz enorm, aber der spielbare Schauerkrimi Alan Wake 2 sticht dank fulminanter Grafik und einem vergleichsweise ungewöhnlichen Setting aus der Masse hervor. Was es damit auf sich hat? Alles dazu in unserem Alan Wake 2 Test.
von Klaus Kainz
Noch bevor Max Payne wieder die Straßen von New York unsicher macht, feiert Remedy Studios’ zweitbekanntester Charakter sein Comeback: Schriftsteller Alan Wake. 2010 war der gleichnamige Shooter noch einer der Geheimtipps auf Xbox 360 – storytechnisch ein spielbarer Stephen King-Roman, spielerisch ein linearer Third Person Shooter wie Resident Evil 4.
Warum das verglichen zum neuen Alan Wake 2 nun fast banal wirkt, verrät unser Test. Vorweg: Den ersten Teil müsst ihr nicht zwingend gespielt haben.
Alan Wake 2 zu beschreiben fällt schwer. In Story wie Gameplay stecken so viele Inspirationen, dass es etwas ganz eigenes kreiert. Fans von Stephen King bedient das Game genauso wie solche von Schwedenkrimis, Twin Peaks oder Akte X. Zum Leben erwacht die skurrile Welt von Alan Wake 2 dank Gameplay, das sich irgendwo zwischen Resident Evil und Silent Hill sowie Rätsel-Games wie Sherlock Holmes und Stanley Parable bewegt.
Aber worum geht’s überhaupt? Zur Erinnerung: Star-Autor Alan Wake gerät im ersten Ableger in die Machenschaften einer bösen Präsenz, die seine Gruselkrimis in die Realität holt und ihn am Ende in eine dunkle Dimension namens Dark Place verfrachtet. Inzwischen sind 13 Jahre vergangen und am ehemaligen Schauplatz Brightfalls forscht nun das FBI. Denn Ritualmorde machen sich in dem amerikanischen Bergdörfchen breit, das seltsam viele skandinavische Traditionen aufweist. Schnell wird klar, dass die Sekte sowie das FBI unbewusst einem Skript von Alan Wake folgen.
Der steckt wiederum weiter in der verfluchten Dimension, in der Zeit wie Raum keine Rolle spielen. Aus einer Art Hütte scheint er die Geschehnisse in der realen Welt mit Skripten zu lenken, wobei auch er selbst von einer Präsenz geschrieben zu werden scheint. Obendrauf suchen ihn mysteriöse Figuren heim. Darunter ein unscheinbarer Talkshow-Host und der von Wake geschaffene Roman-Detektiv Alex Casey, der das Gesicht vom realen Game-Director Sam Lake trägt und die alte Synchronstimme von Max Payne. Ein Fest der Metaebenen also.
Grundlegend ist Alan Wake 2 in zwei Kampagnen aufgeteilt. Zum einen wäre da die Geschichte rund um FBI-Agentin Saga Anderson, die es mit den Ritualmorden in der realen Welt aufnimmt. Alan Wake 2 ist aber keine Action-Achterbahn mehr wie 2010. Vor allem in den FBI-Abschnitten ist nämlich Ermittlungsarbeit angesagt – also viel Erkundung, Profiling und Rätsellösen. Behilflich ist Anderson dabei eine Art übernatürliche Deduktionsgabe.
Jederzeit könnt ihr während des Gameplays in eine Art Gedankenpalast schalten, Sherlock Holmes lässt grüßen. Hier werden Indizien, Hintergrund-Infos und Lore gesammelt und zusammengefügt, um Rätsel zu lösen und Geheimnisse zu lüften. Falsche Schlussfolgerungen sind zwar nicht möglich, aber die Deduktionsstränge werden immer komplexer.
Keine Sorge, etwas geballert wird auch. Gegner sind seltener, aber dafür gefährlicher und vor allem die Bosskämpfe hauen umso mehr rein. Inspiration dürfte hier das Resident Evil 2 Remake gewesen sein, allein die Menüs könnten genauso von Capcom stammen. Seltsam ist nur, dass optionale Erkundung – zu der die mysteriösen Wälder wahrlich einladen – hauptsächlich mit Munition und Ausrüstung belohnt wird. Gleichzeitig aber gibt es während den Ermittlungssequenzen teilweise sehr lange gar keine Kämpfe, für die so etwas nötig wäre.
Etwas anders läuft es im Abschnitt von Alan Wake – für uns der stärkste Part des Games. Im Dark Place ist nichts, wie es scheint. Gänge befinden sich in Endlosschleifen, die selben Türen führen einmal dort hin, einmal da hin, Gegenstände tauchen aus dem Nichts auf. Und so machen vor allem die Rätsel am meisten Spaß, die ein wenig abstraktes Denken verlangen, statt nur Code-Knackerei. Wake hat Tools, um die chaotische Welt zu bändigen. Eine magische Lampe kann Gänge entweder verschwinden oder auftauchen lassen und neben Schlüsseln sammelt Wake in den Levels auch Story-Ideen. Mit denen kann er zum Beispiel eine Sackgasse zum Tatort umschreiben, in dem verschlossene Türen plötzlich geöffnet sind.
Für manche womöglich abschreckend, für uns aber ein Plus: Alan Wake 2 hält selten Händchen. Keine Icons geben den Weg vor, keine NPCs verraten euch des Rätsels Lösung. Selbst nachdenken ist angesagt. Auch manche Kämpfe und Bosse haben es durchaus in sich. Zugegeben, manchmal ist dadurch nicht immer sofort ersichtlich, was genau das Game denn nun will. Hat man aber die zuerst ungewohnten Spielmechaniken einmal intus, hat das Game den genau richtigen Grad an Challenge.
Alan Wake 2 sieht technisch fantastisch aus und zwar so sehr, dass ihr für die PC-Version eine nicht zu alte Kiste haben solltet. Die Berge und Wälder könnten atmosphärisch nicht dichter sein, vor allem wenn Effekte wie Nebel und Regen einsetzen. So authentisch haben sich digitale Waldspaziergänge bei Nacht selten angefühlt. Der Dark Place wiederum ist ein wunderbar schauriges Bizarro-New York mit cyberpunk-artigen Zügen. Graffiti, Dampf und Neon zeichnen die leer gefegten Gassen aus, in denen lediglich gesichtslose Geister taumeln.
Gerade hier zeigt Alan Wake 2 aber seine noch viel mächtigere Art Direction. Trotz aller Technik-Power, das Spiel würde ohne seinen grandiosen Stil nicht annähernd so beeindrucken. Vor allem, wenn es in den ohnehin schaurig-malerischen Locations zu paranormalen Phänomenen kommt. Harte Farbkontraste, schnelle Schnitte, verwaschene Texturen, Überblendungen verschiedener Realitätsebenen oder abstruse Mischungen aus Ingame-Grafik und realen Filmsequenzen erzeugen eine visuelle Glanzleistung des surrealen Storytellings – das visuell bis ans Ende kreativ bleibt.
Das zuletzt von Remedy entwickelte Control hat sich bereits ein wenig ins Surreale gewagt. Alan Wake 2 ist als vollwertiger Psycho-Horror der logische nächste Schritt. Inszenatorisch wie auch im Erkundungs- und Rätseldesign hat selten ein Game surreales Chaos so gekonnt eingefangen. Wobei das Game dank seiner finnischen Wurzeln, die auch ein bisschen Klamauk mitbringen, eine ganz eigene Stimmung hat. Remakes von Dead Space oder Resident Evil 4 sind dieses Jahr zwar starke Bretter im Horrorbereich, an die ein Alan Wake 2 vielleicht in manchen Belangen nicht heranreicht. Trotzdem gebührt dem Spiel Anerkennung, dass es – anders als solche Remakes – etwas Neues schafft und sich trotz bekannten Elementen ganz anders als etablierte Horrorspiele anfühlt.
Ebenfalls neu erschienen ist übrigens gerade der League of Legends Ableger Song of Nunu – hier unser Testurteil.
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Der Redakteur (APA, Helden der Freizeit) und Videospiel-Blogger reviewed für uns vor allem Games, Serien und Filme - ist aber auch so manchem Naturausflug nicht abgeneigt.