Zum Start der neuen Playstation (hier 5 Kaufargumente) spannt ein neuer Spider-Man sein Netz über New York. Miles Morales übernimmt die Rolle von Peter Parker und springt, schwingt und prügelt sich, wie von der Tarantel gestochen, durch Manhattan. Besonderes Augenmerk wird auf die Heimat des neuen Protagonisten gelegt: Harlem.
von Christoph Geretschlaeger, 16. 11. 2020
Im episodischen DLC des allseits beliebten Spider-Man von 2018 (hier unser überschwingliches Review) The City That Never Sleeps begann Peter Parker den frisch von einer radioaktiven Spinne gebissenen Miles Morales zu trainieren. Ein Jahr nach diesen Ereignissen ist die Ausbildung nun abgeschlossen und Peter überlässt im Standalone Spider-Man Miles Morales Miles die Stadt. Jeder braucht schließlich mal Urlaub.
Während Peter Parker mit seiner Mary Jane in Symkaria über den dortigen Bürgerkrieg berichtet, hat Miles Morales in Manhattan mit einer brandneuen Bedrohung zu kämpfen. Der mysteriöse Underground, angeführt vom Tinkerer, startet einen brutalen Bandenkrieg gegen die Privatarmee des Tech- und Energiegiganten Roxxon, und das alles vor Miles‘ Haustür. Programmierbare Materie lässt den Underground Schwerter, Schilde (nein, wir sind nicht im Mittelalter) sowie eine Vielzahl anderer Gadgets und Tötungsgeräte aus heiterem Himmel kreieren. Damit tut sich auch die militärische High-Tech-Ausrüstung (Panzer, Raketenwerfer, schon Sable aus dem ersten Spider-Man war ähnlich bis auf die Zähne bewaffnet) schwer.
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Mehr InformationenFür den Kampf gegen beide Fraktionen hat auch der neue Spider-Man dazugelernt und einige Tricks im Ärmel. Allen voran die Fähigkeit Elektrizität zu absorbieren und wieder abzugeben. Der Venom Punch betäubt Gegner, während beim Venom Smash Miles in die Luft springt und in einer Fläche unter sich alles für eine Weile außer Gefecht setzt. Ganz neu ist Camouflage. Wie der Name schon sagt kann sich unser Lieblings-Spinnenmann damit – auch mitten im Kampf – tarnen und sich der Aufmerksamkeit der Gegner entziehen. Besonders praktisch, weil damit Stealth-Takedowns (lautlos Feinde an Dachstreben aufhängen oder an Wände netzen) wieder ermöglicht werden. War man im Vorgänger mal im Kampf, konnte man sich nämlich gar nicht mehr auf die Decke oder in die Schatten zurückziehen.
Als Abwechslung zu den Kämpfen stellen diverse Rätsel Miles Morales vor (meistens gut) lösbare Aufgaben. Dank seiner Bio-Elektrizitätsfähigkeiten kann er Generatoren hoch- oder runterfahren. Ab und zu muss unser Held mit seinen Spinnenfäden auch Schaltkreise verbinden. In ganz Manhattan verstreut gibt es auch wieder zahlreiche Challenges, bei denen wir unsere Talente zur Schau stellen können und unser Arsenal an Tricks noch weiter auffüllen.
Als der Underground eine Wahlkampfveranstaltung von Miles‘ Mutter Rio stört wird der Konflikt persönlich. Gemeinsam mit seinem Freund Ganke macht Spider-Man Jagd auf die Terroristen. Im Verlauf der rund 8 Stunden langen Hauptstory werden Freunde zu Feinden und Feinde wieder zu Freunden. Einige Wendungen sieht man schon von Weitem kommen, was den Spaß daran aber nicht schmälert. Es gibt zwischendurch auch wirklich süße Momente, und gelegentlich unfreiwillig komische, wenn Miles gerade einen etwas unpassenden Anzug anhat. Der Tinkerer ist ein starker, komplexer Bösewicht, aber natürlich haben auch alte Bekannte aus dem Spider-Man-Universum ihren Auftritt. Den Hauptstory-Missionen sieht man ihren Feinschliff an, der fehlt den Nebenmissionen hin und wieder. Da sind Dialoge gerne übertrieben erklärungslastig, hölzern und etwas öd.
Kämpfen steht natürlich im Mittelpunkt jedes Action-RPGs. Spider-Man macht da keine Ausnahme. Miles Morales fühlt sich mobiler und agiler an als Peter Parker. Hält dafür aber – gefühlt – weniger aus als der etwas muskulösere Peter Parker. Neue Moves in Form der Venom-Fähigkeiten sind sehr willkommen und helfen besonders gegen stärkere Einheiten. Wird die Situation zu haarig, kann man immer noch Camouflage aktivieren und vorübergehend verschwinden. Das rettet einem oft den Spinnen-Hintern, wirken die Gegner doch ausdauernder als im Vorgänger.
In klassischer Rollenspiel-Manier gibt es für jedes Level-Up Punkte zu verteilen. Anfangs war das Tempo sehr überraschend, nach fast jeder Mission konnte man neue Fähigkeiten freischalten. Am Ende jedes der drei Skillbäume (Venom/Elektrizität, normales Prügeln, Camouflage) warten dann Talente, die erst im New Game+ freigeschalten werden können. Passend zum Gesamtumfang gibt es insgesamt weniger Fähigkeiten, dafür gibt es auch keine x-beliebigen Talente, die nur zum Auffetten gedacht sind.
Grafisch – zumindest auf der PS4 – lehnt sich Spider-Man: Miles Morales sehr an den Vorgänger an. Saisonal passend liegt nun in New York Schnee, der neue Anstrich tut den Straßen gut. Die Engine ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, sieht aber immer noch gut aus. An einen Auslandsurlaub ist in der aktuellen Situation ja nicht zu denken. Da kommt es uns sehr gelegen, vom Komfort unseres Sofas das schneebedeckte Manhattan erkunden zu können.
Auf der Playstation 5, besonders mit aktiviertem Raytracing, wird aus Spider-Man ein echter Leckerbissen. Die Spiegelungen sehen fantastisch aus und selbst in hohen Auflösungen kommt es nicht einmal gegen den halben Underground zu Verlusten in der Wiederholrate. Unter der Haube sind, dank der SSD, die Ladezeiten quasi verschwunden. Wobei man dazusagen muss, dass sich in unserem Test (auf der PS4) die Ladezeiten überhaupt sehr in Grenzen gehalten haben. Und ganz ehrlich, wen interessieren Ladebildschirme, wenn man eh durch die Stadt schwingt und auf dem Weg vielleicht noch unschuldige Zivilisten retten oder Autoverfolgungsjagden beenden kann.
Spider-Man: Miles Morales ist ein großartiger Nachfolger. Behält alle Systeme bei, die funktionieren und fügt eigene hinzu, die sich nahtlos integrieren. Ich hätte nie gedacht, dass Stealth in einem Spider-Man-Spiel passen würde. Das Kampfsystem ist involviert und fordernd, es wird nie langweilig. Prügeln ist sehr befriedigend und das Schwingen macht genauso viel Spaß wie im Vorgänger. Lobend hervorzuheben ist noch der Soundtrack. In Spider-Mans orchestrale Musik mischen sich in Miles Morales noch Hip-Hop und Rap-Beats dazu.
Die Story ist erfrischend, besonders mit einem noch eher unbekannten Protagonisten wie Miles Morales. Teilweise überstürzen sich jedoch die Ereignisse, das Spiel hetzt von Handlungselement zu Handlungselement, könnte sich bei dem gelegentlichen Sinneswandel mehr Zeit lassen. Dem Preis-Leistungs-Verhältnis sind die zahlreichen Nebenmissionen, Challenges und anderen Herausforderungen sehr zuträglich. Für ein nicht ganz Vollpreisspiel (60 statt der üblichen 70 bzw. dann üblichen 80 für einen PS5-Titel) ist die Länge der Story mit rund 8 Stunden in Ordnung. Ich hätte aber gerne mehr davon gehabt.
Bilder: © Marvel
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.