2024 gewann er beim Sundance Film Festival den Publikumspreis – nun startet die irische Hip Hop Komödie Kneecap endlich auch bei uns im Kino. Warum wir ihn euch ans Herz legen, verrät dir unsere Filmkritik.
von Susanne Gottlieb, 21. 3. 2025
Vor 2024 hatten außerhalb von Irland und Nordirland wohl die wenigsten von der Band Kneecap gehört. Inzwischen haben die Jungs rund um die Welt ausverkaufte Hallen. Das Trio an nordirischen Republikanern (also Mitglieder der katholischen “indigenen” Bevölkerung, die die Wiedervereinigung mit der Republik im Süden wünscht) hat nicht nur einige tolle Ohrwürmer. Es singt zudem auf der in Nordirland fast verdrängten Sprache Irisch, und dabei nicht immer nett über die Loyalisten.
Der Film zeigt nun eine semi-wahrhaftige Darlegung, wie sich das Trio vor einigen Jahren gründete. Das macht Spaß. Ein Film, den ihr nicht verpassen solltet. Was sonst noch ins Kino kommt, siehst du in unserer montlichen Programmübersicht. Sehr empfehlen können wir euch auch Sing Sing – hier die Gründe.
Belfast Ende der 2010er Jahre: Liam Ó Hannaidh und Naoise Ó Cairealláin (die Band spielt sich selbst) leben im katholischen Westen von Belfast, dealen und legen sich mit Loyalisten an. Einst erlernten sie Irisch von Naoises Vater Arlo (Michael Fassbender), einem ehemaligen republikanischen Paramilitär, der seinen eigenen Tod vortäuschen musste, um den britischen Behörden zu entgehen. Eines Nachts wird Liam auf einer Drogenparty verhaftet. Am Polizeirevier weigert er sich Englisch zu sprechen, woraufhin der Musiklehrer JJ Ó Dochartaigh als Dolmetscher hinzugezogen wird.
Als er ein Notizbuch mit Liedtexten von Liam mit nach Hause nimmt, stellt er fest, dass diese sich gut vertonen lassen würden. Er schlägt Liam und Naoise vor, eine irischsprachige Hip-Hop-Gruppe zu gründen, um jüngeren Generationen die pädagogisch oft verstaubt wirkende Sprache näher zu bringen. Erste Auftritte landen auf Social Media. Die Tatsache, dass die Band bei Auftritten auch noch Drogen verschenkt, begeistert. Bald haben Kneecap stets ein volles Haus. Doch die protestantischen, dem Vereinigten Königreich hörigen, Behörden sind nicht glücklich, dass die irische Identität so einen Aufwind bekommt. Außerdem kriegt die Band zunehmend Probleme mit der republikanischen Organisation „Radical Republicans Against Drugs“.
Kneecaping – das war eine besonders fiese Foltermethode der Loyalisten und protestantischen Paramilitärs, bei der sie den Katholiken in die Kniekappen schossen. Nicht schlimm genug, um sie zu töten, aber definitiv eine brisante Verwundung. 27 Jahre sind seit dem Karfreitagsabkommen in Nordirland vergangen. Und auch wenn es dort heutzutage weitgehend ruhig zugeht, so ist die Demarkationslinie zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen noch immer tief gezogen. Kneecap will aber bei Gott nicht ein weiteres Drama sein, das den Konflikt anspricht. Mo Chara beginnt sein Voice Over sogar süffisant mit der Bemerkung, dass man hier nicht wieder bei den Troubles ansetzen möchte, während im Bild Bomben explodieren und Barrikaden errichtet werden.
Der Film will vielmehr aufzeigen, was es bedeutet, wenn eine Kultur in den Untergang gezwungen wird, weil ihr Ausleben erschwert oder unterdrückt wird. Begleitet wird die Bandgeschichte nämlich von dem Versuch von DJ Próvais Partnerin, die irische Sprache in der Verfassung schützen zu lassen. Der Language Act würde es erleichtern, die Sprache zu lehren und im Alltag und bei Behörden sprechen zu können. Die irische Sprache sei “eine Kugel für die Unabhängigkeit”, hat auch Arlo stets betont, und es ist eine grundlegende Motivation der drei Burschen, sie möglichst oft und viel zu sprechen oder zu singen.
Es überrascht daher nicht, dass die Musik von Kneecap eine Welle von Kontroversen auslöste, vor allem da die Texte es auch ganz schön in sich haben. Hier wird fröhlich über Drogenkonsum gesungen, auf der Bühne entblößen die Mitglieder ihre Hintern mit den Worten „BRITS OUT“. Dabei erlaubt sich der Film eine interessante Zwiespältigkeit. Denn für viele Befürworter der irischen Sprache sind Kneecap kein guter Botschafter für die Sprache und schaden der Sache sogar. Doch gleichzeitig hat die Band stets ausverkaufte Konzerthallen, und selbst Mo Charas protestantische Freundin beginnt sich für die Sprache zu interessieren.
Kneecap gibt all diesen Überlegungen den Raum und macht dabei auch noch eine Menge Spaß. Regisseur Rich Peppiatt, der auch das Drehbuch schrieb, erzählt die Geschichte frenetisch und profan, er lässt die Burschen provozieren, unterhält aber auch mit witzigen Einfällen und stilistischen Spielereien wie Zeitlupe und Animation. Der Film will letztendlich nicht die Wahrheit für sich pachten. Aber es ist einfach mal erfrischend, einen Nordirland-Film zu sehen, in dem es weder um eine teuflische IRA geht, noch um katholische Opfer loyalistischer Behörden und Paramilitäre. Vielmehr geht es um die Zukunft und die Frage, wie man eine Kultur weiterentwickeln kann, wenn ihre wichtigsten Elemente, etwa die Sprache, bereits wie Museumsware behandelt werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSchräge, nachdenklich machende Ode an Muttersprachen und eine Menge Spaß mit guter, provokanter Musik.
Weitere Vorschauen und Reviews zu Filmen und Serien gefällig? Dann schau in unseren Seher-Bereich:
Sing Sing – berührender Film über Theater im “Häfn”
Adolescence – warum der überraschende Netflix-Hit so gut ist
Daredevil: Born Again – Starke Rückkehr des blinden Helden
Die besten Kinofilme im April
Aufmacherfoto: (c) Filmladen
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.