Florian Ritt von Folkshilfe im Interview über seine musikalische Reise zu sich, bei der ihn auch negative Erlebnisse wie ein Hörsturz entscheidend weitergebracht haben, wie er seinen persönlichen Alltag und Erfahrungen in seine Songs einfließen lässt und welche große Rolle Authentizität in seinem Leben und in seiner Musik spielt. Dazu erzählt er, warum er heute Geschichten statt Texte singt und wie Experimentierfreude seine kreative Arbeit prägt.
von Patrick Meerwald, 14. 10. 2025
Florian Ritt begeistert mit seiner kreativen und nahbaren Art Hörer:innen und Hörer über die Landesgrenzen hinaus.
Am 16. 10. spielt er mit Folkshilfe im Gasometer Wien. Mehr Konzerttipps findest du in hier unserer Wien-Konzerte Übersicht für diesen Monat
heldenderfreizeit.com traf den Musiker und Multi-Instrumentalisten zum Gespräch. Wie tickt der kreative Kopf der Folkshilfe? Wir sprachen mit ihm über seine musikalische Vielseitigkeit, die Bedeutung von künstlerischem Wagemut, Authentizität als zentrales Lebens- und Kunstprinzip und darüber, warum er heute Geschichten statt Texte singt.
Ich glaube, die komplette Basis von Folkshilfe ist eigentlich das Experimentieren, weil ich mache etwas auf der Quetschen, das sonst nie wer so gemacht hat. Also nicht in meiner Ausführung zumindest, und dazu braucht es Kreativität und Lust, an Dingen zu scheitern und nicht den vorgegebenen Weg zu gehen. Das war ein Testen, Try and Error. Ich spiele in der linken Hand Synthesizer und habe erstmal schauen müssen, wie das funktioniert. Auch beim Studium sind wir durch die Freude des Experimentierens gegangen. Ich habe Jazzgitarre studiert, der Paul (Slaviczek) auch, Gabriel (Fröhlich) hat Pop studiert. Trotzdem haben wir da immer schon ein bisschen Avantgardismus in unserer Musik gehabt. So etwas hat mir immer schon getaugt.
“Das war ein Testen, Try and Error.” – Florian Ritt über das Ausprobieren seiner Band
Österreich ist so klein und es gibt nicht wirklich diesen Musikmarkt, an dem man sich orientieren kann. Also in Amerika, in England oder in Deutschland, dort gibt es z. B. Deutschrap und dann gibt es vielleicht Songwriter, Interpreten und viele mehr. Es gibt so viele Teilbereiche, und ich habe das Gefühl, in Österreich muss man von Haus aus experimentieren. Alle Bands, die ich finde, die in Österreich irgendwie berühmt oder groß sind, haben immer etwas sehr Einzigartiges.
Auf jeden Fall, dass wir einen unglaublich argen Gitarristen in der Band haben, der selber auch schon viel härtere Bands gespielt hat als wir bei Folkshilfe. Der kann das punktuell auch rauslassen. Ich glaube, Fans von härterer Musik merken und schätzen, dass unsere Musik handwerklich gut gemacht ist. Wir haben auch mal gemeinsam mit Slipknot geheadlined und hatten trotzdem eine volle Crowd. Unsere Musik ist generell sehr vielseitig und wird, wo wir spielen, bis zu einem gewissen Grad angepasst.
Ja, es gibt auf jeden Fall Bands, die mir dafür an sich taugen. Ich finde AUT of ORDA ist wirklich live mittlerweile eine sehr harte, geile Band, die so Limp Bizkit-Vibes hat. Die würden vielleicht passen, auch wenn ich mit ihnen schon zusammengearbeitet habe.
Generell finde ich ja, wir haben immer wieder in unserem Leben Wolken. Ich schaue lieber darauf, wenn die Sonne wieder da ist, diese Energie aufzusaugen, damit ich dann wieder durch die schwierigen Zeiten durchkomme. Ich würde behaupten, wir sind eigentlich keine Sanguiniker, doch wollen wir echte Stimmung transportieren.
“Wir wollen Hoffnung geben” – Florian Ritt über die Aufgabe von Folkshilfe on Stage.
Ich werde mich nicht hinstellen und sagen auf der Bühne, dass alles schlecht ist. Trotzdem: Dort ist es dann immer echt. Wir haben da eine gewisse Haltung als Folkshilfe und wollen auch Hoffnung geben. Doch es gibt auch andere Herangehensweisen. Manche Bands finden es voll geil, nach außen hin zu zeigen, wie melancholisch, negativ, destruktiv man ist. Und ich finde es oft gewissermaßen lustig, wenn ich Songs mit und für andere Künstler:innen schreibe, wo das auch passt – bei uns bei Folkshilfe wiederum nicht so.
Wir haben eine eigene Leistung, auf die wir achten – unsere Leistung, die Leistung der Crew. Das liegt nur bei uns. Das Publikum hat bei dieser Fragestellung eigentlich keinen Auftrag. Das ist alles unsere Kunst und wir entscheiden, wie weit wir zufrieden sein können. Ich will einfach eine gute Show machen und, dass wir da das Beste geben. Ich glaube, wir nehmen es auch sehr demütig an, dass wir Mucke auf dem Niveau machen dürfen. Wir sind, glaube ich, ein sehr kollegialer, freundschaftlicher Betrieb, wenn man so will, bei Folkshilfe. Aber natürlich ist es High Performance und recht viele Patzer kann man sich nicht erlauben.
Da gibt es natürlich unterschiedliche Ziele mit unterschiedlichen Projekten. Aber Southside, Hurricane, Rock im Park, Rock am Ring – das wäre schon was. Was ich aber am Ende des Tages hoffe: Ich möchte einfach Spaß an dem haben, was ich mache.
Ich glaube, tatsächlich sind es meine Themen. Es gibt kein anderes, mir fremdes Thema in meiner eigenen Musik. Das ist genau das, was in der Vergangenheit eigentlich hinderlich war. Seit den letzten zwei Alben schreibe ich viel ehrlicher. Früher habe ich mir eigentlich nie zugetraut, über meine Themen zu singen. Mein Bandkollege Paul hat gesagt: „Früher hast du Texte gesungen, und jetzt singst du Geschichten.“ Und ich finde, genau das hat sich zu früher geändert. Ich traue mich, über die Dinge, die mir im Leben passieren, zu singen.
Ohne di ist beispielsweise ein Song für meinen Vater, der erkrankt und später verstorben ist. Und das ist echt. Ich war am Anfang nicht sicher, ob ich über so etwas singen oder das teilen möchte. Aber die Belohnung ist so hoch, weil es so ehrlich ist. Ich glaube, diejenigen, die den Mut haben, über erlebte Dinge zu singen und sie ehrlich zu teilen, werden belohnt.
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Mehr InformationenIch glaube, es war ein fluider Prozess. Ich habe da sehr lange gebraucht. Geholfen haben mir sicher Gesprächstherapien, Begleitung von außen, aber auch die Auseinandersetzung mit mir selbst. Ich habe das Gefühl, es hat auch gewissermaßen den Hörsturz gebraucht. Ich habe da wirklich alles durchgemacht. All diese Schritte und Erlebnisse haben mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Und jetzt ist es gerade wirklich sehr toll.
Ich glaube, ich bin aktuell sehr ich. Es war ein Learning, folgendes zu akzeptieren: Florian Ritt von Folkshilfe ist ein Teil von Florian Ritt – und nicht umgekehrt.
Man wird sehr oft sehr unterschiedlich wahrgenommen. Die einen lieben das, was ich mache. Andere glauben, ich bin ein Millionär. Wieder andere glauben, ich bin arbeitslos. Da gehen die Meinungen so auseinander. Am Ende muss man selbst wissen, wer man ist – oder selbst unsicher sein, wie auch immer. Hauptsache, man ist authentisch und echt.
Ich habe jetzt nicht so dieses Heritage-Denken, aber das ist im Wandel, es hat sich schon geändert. Ich habe schon gemerkt, dass es etwas mit mir macht, wenn ein Song wie Schöner Mensch von uns bei hunderten von Hochzeiten, Taufen und teilweise auch Begräbnissen gespielt wird. Das macht etwas mit einem, das finde ich wunderschön.
Trotzdem möchte ich gerne als liebender Mensch von meinen Menschen, die mir wichtig sind, wahrgenommen worden sein. Das ist viel wichtiger als Fame oder Erfolg.
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Aufmacherfoto: (c) Philipp Hirtenlehner
Der Wiener Journalist und Redakteur ist seit 2016 Musik-Ressortleiter bei heldenderfreizeit.com, schreibt für diverse Musikfachmedien wie Stark!Strom berichtet dabei über Konzerte, Neuerscheinungen, führt Interviews und erstellt Besten- und Playlisten zu den Top-Liedern von Musikstars.